Ostschweiz
St. Gallen

Mit dem letzten Zug ins Rheintal

Erlebnisbericht

Mit dem letzten Zug ins Rheintal

31.08.2019, 14:31 Uhr
· Online seit 07.10.2018, 11:53 Uhr
Einmal Zugfahrt vom Rheintal in den Ausgang nach St.Gallen - bittschön! Das habe ich mir letztes Wochenende gegönnt. Doch auf dem Weg in die Stadt dachte ich noch nicht daran, dass ich ja auch wieder mit dem Zug nach Hause muss.
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Mit Freunden etwas trinken und um die Häuser ziehen. Wir haben viel geredet, gelacht und eins, zwei Gin Tonics getrunken. Doch ein Blick auf die Uhr sagte mir: Es ist an der Zeit, den letzten Zug zurück ins Rheintal zu nehmen.

Gleis drei, Abfahrt 02.32 Uhr, ich freue mich auf mein Bett. Doch dann kommt die Durchsage - zehn Minuten Verspätung. Na, toll - und ich habe meine Kopfhörer vergessen. Nichts mit Netflix, dafür kann ich jetzt die Leute im Zug beobachten. Soziales Kino, auch nicht ohne.

Im Abteil nebenan sitzt ein Paar. Zwei besoffene Jugendliche werfen sich auf die Plätze in meinem Abteil. Ihr nüchterner Freund setzt sich ins Abteil nebenan, wahrscheinlich möchte er nicht mit ihnen assoziiert werden. Ich verstehe es. «I schwör Alte, i ha so krass zviel trunke» und «woaah, i bi so volle». Dann, endlich, sind die zehn langen Minuten vorbei, der Zug setzt sich in Bewegung. Jetzt nur noch ab nach Hause, denke ich mir.

Doch der «Spass» hat gerade erst angefangen: Der Kerl neben mir schläft auf meiner Schulter ein. Ich, peinlich berührt, rutsche soweit rechts rüber wie es nur geht, der schlafende Kopf rutscht mit. Wie unangenehm. Zum Glück meldet sich sein nüchterner Freund: «Kum mir tusched de Platz.» Puuh, Glück gehabt. Ab jetzt wird die Zugfahrt nur noch angenehm, erhoffe ich mir.

Neue Sitznachbarn, neues Drama. Ich hocke nun beim Pärchen. «Oh mein Gott, jetzt weiss ich wieder, wieso ich immer mit em Auto unterwegs bin. Zugfahre isch so schlimm.» Ich frage mich ob sie früher nie besoffen waren. «Diä Jugendliche wo sich nümme gspüred, so lächerlich.» Nicht mein Fall, die zwei.

Ich lasse meinen Blick über all die Alkohol-Leichen im Zug schweifen und freue mich, dass ich heute die Vernünftigste war. Im Gang steht eine weitere Gruppe Jugendlicher, alle mit Zigarette in der Hand, die «Coolen». «Spinned die do ine rauche?», regt sich das Pärchen auf. Ich finde es daneben, doch es ist mir scheissegal, ich will nur nach Hause. Auf einmal setzt sich eine Frau neben uns: «Woah, de nebed mir isch scho fast am kotze, i cha nöd döt hocke bliibe, es isch so hässlich.» Na toll, das auch noch. Und wir sind noch nicht mal in Rorschach. In Staad steigt das Paar und die Frau aus und wünschen mir noch viel Glück für die weitere Heimreise. Ich danke.

Der Zug ist halbleer. Die Alkohol-Leichen sind mit ihrem Sitz eins geworden und geben keine Laute mehr von sich. Ich geniesse die ruhigen Minuten, bevor ich aussteigen muss.

St.Margrethen, meine Endstation. Ich habe auf dieser Zugfahrt gerade alles erlebt, was man nach einem Ausgang so erleben kann. Obwohl ich diese Zugfahrt lieber nicht miterlebt hätte, weiss ich genau, dass ich schon nächstes Wochenende eine dieser Alkohol-Leichen sein könnte und sich jemand anderes lieber nicht neben mich setzen möchte.

veröffentlicht: 7. Oktober 2018 11:53
aktualisiert: 31. August 2019 14:31
Quelle: FM1Today

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