Es ist im Moment das wohl heiss diskutierteste Thema: Die Covid-Impfung. Doch in Grossbritannien wächst die Impfskepsis unter jungen Leuten. Um dem entgegenzuwirken, soll es auf «Tinder» und Co. bald einen Impf-Sticker geben, den man freiwillig auf seinem Profil anzeigen lassen kann. Zudem bekommen geimpfte Nutzer den kostenlosen Zugang zu Premium-Funktionen, die normalerweise kostenpflichtig sind. Die Plattform «Bumble» geht noch einen Schritt weiter und fügt zusätzlich eine Funktion ein, die Mitgliedern ermöglicht, deren «Pandemie-Dating-Präferenzen» anzugeben. Dazu gehören deren Ansichten zu «social distancing», das Maskentragen und ob Treffen an viel besuchten Orten okay sind oder nicht. Unterstützt wird die Kampagne von der Regierung. Was in Grossbritannien gerade in den Startlöchern steht, läuft in den USA bereits seit Mai.
Hätte jemand vor zwei Jahren gesagt, dass man beim Onlinedating künftig den Impfstatus angeben kann, er oder sie wäre wahrscheinlich ausgelacht worden. Im Laufe der Corona-Pandemie wurde dies aber Realität. Doch ist das nicht diskriminierend gegenüber Personen, welche die Covid-Impfung eher skeptisch betrachten? Jacqueline Frossard ist im Vorstand der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen und setzte sich im Rahmen ihrer Vorstandstätigkeit mit allerlei Fragen rund um die psychischen Folgen durch die Corona-Pandemie auseinander. Sie sieht kein Problem beim Impf-Sticker auf Tinder: «Personen, welche eher skeptisch zur Covid-Impfung stehen, können sich dadurch sicherlich ausgeschlossen fühlen, vielleicht sogar diskriminiert. Doch wahrscheinlich ist es besser, wenn die Fronten betreffend Impfung bereits vor einem möglichen Date geklärt sind.» So komme es beim Treffen dann auch nicht zu mühsamen Diskussionen und eine nicht-geimpfte oder auch geimpfte Person werde nicht gleich abserviert.
Impfaktivismus auf Dating-Plattformen auch in der Schweiz?
Doch teilen solche Aktionen die Gesellschaft nicht entzwei? «Wenn man auf Datingplattformen geimpfte Personen als die Guten und die nicht-geimpften als die Bösen bewertet, dann wäre das für eine Gesellschaft sicher nicht gesund», so Frossard weiter. So wie die Covid-Impfung aber bislang in der Schweiz gehandhabt werde, würden solche Impf-Sticker die Gesellschaft bestimmt nicht spalten. «Es ist ja nicht so, dass nicht-geimpften Personen der Zugang auf Plattformen wie Tinder verboten wird.»
Auch in der Schweiz werden derzeit Massnahmen entwickelt, um gezielt junge ImpfskeptikerInnen umzustimmen. Ob und wann hiesige Datingplattformen dabei mit an Bord geholt werden, ist nicht klar. Doch auch in der Schweiz könnten unentschlossene Personen laut Jacqueline Frossard mit solchen Impf-Stickern durchaus von der Covid-Impfung überzeugt werden: «Ich glaube, dass unsichere Personen sich dadurch nochmals genauer überlegen, ob sie sich nicht doch impfen sollen. Personen, welche strikt gegen eine Covid-Impfung sind, werden sich durch einen entsprechenden Sticker auf Tinder aber nicht umstimmen lassen.»
(noë)