Bauarbeiter, Bagger, Leitungsgraben und ein unbekannter Friedhof aus dem Frühmittelalter. Während den Arbeiten am städtischen Fernwärmenetzes am Markplatz in St.Gallen fanden Bauarbeiter Knochen beim Ausheben des Leitungsgrabens.
Wie die Staatskanzlei am Donnerstag mitteilt, handelt es sich dabei neben archäologischen Überresten um Gräber eines bisher unbekannten Friedhofs aus dem Frühmittelalter: «Es ist eine kleine Sensation.»
Neuzeitliche Abwasserkanäle und frühmittelalterliche Skelette
Seit die Knochen vergangenen November gefunden wurden, begleitete die Kantonsarchäologie die Bauarbeiten am Marktplatz. Das Grabungsteam fand neben den Resten des alten Rathauses, dem im 15. Jahrhundert aufgefüllten Stadtgraben sowie neuzeitlichen Abwasserkanälen auch Gräber. Zu den ältesten Befunden gehören die fünf nachgewiesenen Körperbestattungen. Diese sind mit Blick gegen Osten ausgerichtet, was für christliche Gräber üblich ist.
Um das Alter der Knochen zu bestimmen, wurden diese zur ETH Zürich geschickt. Dort fand man heraus, dass die Knochen aus dem Frühmittelalter stammen. Das Frühmittelalter war vom späten 7. Jahrhundert bis ins 9. Jahrhundert nach Christus. Der Fund zeigt auch, wie weit sich das Areal des Klosters St.Gallen im Frühmittelalter ausgebreitet hatte.
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Die Knochen werden weiter untersucht
Die Bestimmung von Körpergrösse, Geschlecht und Sterbealter kann bei den gefundenen Skeletten nicht überall ermittelt werden, da einige nicht vollständig erhalten sind. Nachgewiesen ist aber, dass es sich um vier erwachsene Personen handelte, drei davon waren im Alter von 30 bis 40 und zwei waren sicher männlich.
Bei den gefundenen Skeletten wiesen einige Knochen auf krankhafte Veränderungen hin und die Zähne zeigten Abnutzung sowie Karies. Die Untersuchungen werden von der Interkantonalen Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung anthropologischer Funde weitergeführt.
So wie’s aussieht, war dies nicht der erste Fund
Auch wenn zwischen dem Klosterareal und St.Mangen bis anhin keine Bestattung aktenkundig war, soll dies nicht der erste Knochenfund im Gebiet sein. Mündliche Überlieferungen berichten davon, dass zwei Mitglieder der Familie Nobel in den 1930er-Jahren bereits auf Skelette gestossen seien. Die beiden arbeiteten auf der Baustelle der Gebäude Marktplatz eins und zwei – heute Acrevis und Markplatz – und sollen die Skelette nach dem Fund beiseitegeräumt und entsorgt haben.
Die neu entdeckten Gräber sprechen zusammen mit dieser mündlichen Überlieferung für einen grösseren Friedhof. Laut Staatskanzlei ist auch spannend, dass in dem Bereich weder eine Kirche noch eine Kapelle überliefert ist. Dadurch bietet sich hier ein grosses Forschungsfeld für Kloster und Stadtgeschichte an. Der Gräber-Fund zeige die Bedeutung von archäologischen Untersuchungen für die Geschichte des Unesco-Weltkulturerbes, des Stiftsbezirks und der Stadt St.Gallen.
(lha)