Appenzeller Bahnen (AB), Schweizerische Südostbahn (SOB), Postauto, Verkehrsbetriebe St.Gallen (VBSG) und Bus Ostschweiz sind sich einig: Sie hätten das 5-jährige Mädchen in Schaffhausen nicht gebüsst. Das Fahrpersonal habe zwar rechtens gehandelt, aber zu wenig Fingerspitzengefühl gezeigt.
Bei Kleinkindern «menschelt» es
Das 5-jährige Mädchen, das ohne Billett unterwegs war, war in Begleitung seiner 10-jährigen Schwester. In der Regel dürfen unter 6-Jährige gratis Bus und Zug fahren, sofern eine erwachsene Begleitperson dabei ist. Erwachsen ist man gemäss «ch-direct», der nationalen Tariforganisation, ab zwölf Jahren. Der älteren Schwester in Schaffhausen fehlten zwei Jahre. In solchen Situationen «menschle» es, sagt Hans Koller, Leiter Markt bei Bus Ostschweiz, auf Anfrage von FM1Today. «Der Fahrausweis-Kontrolleur muss jede Situation einzeln beurteilen und die Verhältnismässigkeit abschätzen. In dieser Situation hätte ein nettes, hinweisendes Gespräch mit der älteren Schwester gereicht.»
Gleicher Meinung ist die Südostbahn. «Solche Situationen lösen wir mit gesundem Menschenverstand und verhalten uns gegenüber Kindern kulant. Unsere Mitarbeitenden sollen den Kindern den Sachverhalt auf einfache Art erklären und ihnen sagen, dass sie die Eltern entsprechend informieren sollen», sagt Mediensprecher Christopher Hug.
Das 5-jährige Kind musste als Bestätigung einen Beleg des Kontrolleurs unterschreiben. Dies, obwohl die wenigsten Kinder dieses Alters bereits schreiben können.In ländlichen Regionen keine Seltenheit
In den ländlichen Regionen der Ostschweiz dient vielfach das Postauto als Transportmittel in die Schule. Es kommt deshalb nicht selten vor, dass Kleinkinder alleine in den Bussen sitzen. «In der Regel kennen diese Kinder ihren Schulweg und die Tickettarife und haben auch entsprechende Abos gelöst», sagt Postauto-Sprecher Urs Bloch.
Auch die Appenzeller Bahn chauffiert oftmals kleine Bahngäste an den richtigen Ort. «Vor allem auf der Strecke Rorschach – Heiden gehen die Kinder mit der Bahn in den Kindergarten. Aber auch sie besitzen alle ein Abo», sagt Mediensprecherin Erika Egger.
Keine Konsequenzen für Fahrpersonal
Konsequenzen müssen die Schaffhauser Kontrolleure aber trotz Fehlentscheid keine befürchten, weil sie sich ans nationale Tarifreglement gehalten haben. «Wären wir involviert, würden wir aber das Gespräch mit den verantwortlichen Personen suchen und ihnen klarmachen, dass sie in dieser Situation und im Eifer über das Ziel hinausgeschossen sind», sagt Adrian Schwegler, Finanzchef bei den VBSG. «Erfahrenes Fahrpersonal sollte in solchen Situationen angemessen reagieren können», ergänzt Urs Bloch von Postauto. Sie, sowie die anderen befragten Bus- und Zuggesellschaften in der Ostschweiz, haben einen solchen Fall nach eigenen Angaben noch nie erlebt.
Neue Schwarzfahrer-Datenbank
Seit diesem Jahr werden alle Schwarzfahrer in der Schweiz in eine nationale Datenbank aufgenommen. «Dort sind auch Kinder registriert», sagt Bloch. «Auch jene, die wegen Missverständnissen oder aus Kulanz keine Busse zahlen müssen, werden nach Vorfällen in die Datenbank aufgenommen. Sobald sie das Formular des Kontrolleurs unterschreiben.» Fährt das Kind nicht ein zweites Mal schwarz, wird der Eintrag in der Datenbank nach zwei Jahren wieder gelöscht.