Quelle: FM1Today
Richard Nyffeler spürt den Frühling. Trotz der Morgensonne ist es noch kalt, als er uns kurz vor acht Uhr für die heutige Abfalltour abholt. «Ich habe wohl doch eine zu dünne Jacke angezogen, aber es ist ja so schönes Wetter», sagt er und zupft an seiner leuchtenden Weste.
Den Frühling spürt Nyffeler auch an den heutigen Aufträgen. «Es hat viel Sperrgut auf der Liste», sagt Nyffeler. Unter Sperrgut versteht er Möbel, Latten, Holzbretter. Im Frühjahr wird gezügelt, ausgemistet, neue Möbel gekauft. Für Nyffeler bedeutet das: Viel Arbeit, viele falsch entsorgte Gegenstände. Sofas, die einfach am Strassenrand stehen. Ohne Gebühren-Marke und viel zu früh zum Entsorgen rausgestellt. Sperrgut-Abfuhr ist erst in drei Tagen.
Als Abfallkontrolleur der St.Galler Entsorgungswerke ist es seine Aufgabe, die Verantwortlichen, die den Abfall illegal entsorgt haben, aufzuspüren. Die Hinweise zu illegal entsorgten Abfällen erhält er von der Kehricht-Abfuhr, von Liegenschafts-Verwaltungen oder Anwohnern, die die Entsorgung darauf aufmerksam machen.
«Das gelingt mir natürlich nicht immer», sagt Nyffeler. Vor allem bei Möbeln am Strassenrand sei es oft schwierig, herauszufinden, wer das war. Doch heute hat er Glück.
Detektiv-Arbeit: Nyffeler ermittelt
Ohne Navigationsgerät fährt er mit seinem weissen Bus an die Rehetobelstrasse im Osten der Stadt. Ein Anwohner meldete illegal entsorgte Möbel. Von weitem sieht man den grossen Lattenrost, die Kommode und die Polster, die mitten auf dem Trottoir stehen. Ohne Gebühren-Marken, einfach hingeworfen. «Das glaub ich jetzt nicht», murmelt Nyffeler, während er aus dem Auto steigt. Er kramt sein Handy hervor und schiesst Fotos. «Als Beweis», sagt er.
«Wohnen Sie hier?», ruft er einem älteren Herr zu, der – vermutlich aus Neugier – aus dem Eingang einer Überbauung, direkt vor dem Abfall-Disaster herauskommt. Zwei weitere ältere Herren kommen ebenfalls aus den Nachbarhäuser. Er habe eine Ahnung, wem diese Möbel gehören, sagt der Herr. Ein guter Zufall, Nyffeler ist auf der richtigen Spur. Der Anwohner zeigt ihm das Klingelschild, wo er die Abfall-Sünder vermutet. Nyffeler fotografiert, schreibt sich Telefonnummern der Hausverwaltung auf, klingelt, ohne zu zögern und landet einen Treffer. «Die Möbel müssen bis zum Mittag weg sein», warnt er den Mann.
Eine Busse gibt es für den Abfall-Sünder noch nicht. «Wenn ich am Nachmittag vorbeifahre und die Möbel sind noch da, informiere ich die Stadtpolizei.»
Boot im Wald und Kühlschrank im Fluss
Wir fahren weiter, auf Nyffelers Liste stehen heute mehrere Strassennamen, überall da soll sich falsch entsorgter Abfall befinden. Im letzten Jahr kümmerte er sich um über tausend solcher Fälle. Nyffeler klebt mehrere gelbe Warn-Kleber auf diverse falsch entsorgten Gegenstände. Als Warnung für die «Täterinnen und Täter», ihren Abfall noch richtig zu entsorgen. Mehrere Sofas, einen Bürostuhl, Regale. Einmal fischt er mit einem Metallhaken einen schwarzen Abfallsack aus einem Entsorgungs-Container. Kein Gebührensack. Nyffeler schlitzt später in der Entsorgungsanlage diesen Abfallsack auf, sucht nach Adressen, Hinweisen. Dieser Abfall-Sünder oder -Sünderin hatte Glück, Kontrolleur Nyffeler findet nichts. Auch falsch entsorgter Karton und Altpapier wird genau auf Hinweise untersucht. Da ist es oft leichter, wenn es Pakete oder Briefe mit Adressen im Bündel hat.
Als Laie verstörend, wie viel Abfall nicht richtig entsorgt wird. Für Nyffeler Alltag. Eine Kommode am Strassenrand überrascht ihn nicht mehr. Da musste er sich schon um absurdere Gegenstände kümmern. Zum Beispiel ein Boot, das im Wald entsorgt wurde. «Und das war kein Schlauchboot, sondern ein richtiges! 12 Meter lang!» Oder einen Kühlschrank mit vergammeltem Fleisch drin, der in einem Fluss entsorgt wurde. «Den Besitzer haben wir ausfindig machen können. Er fuhr extra vom Bodensee nach St.Georgen, um den Kühlschrank loszuwerden.» Nyffeler schüttelt den Kopf.
Eine Arbeit, die auch gefährlich werden kann
Seit über 20 Jahren arbeitet der 52-Jährige als Abfall-Kontrolleur für die Entsorgung St.Gallen. Der gelernte Maurer schätzt die Selbständigkeit, die er bei seiner Arbeit hat. Den ganzen Tag ist er alleine unterwegs, fährt durch die Stadt, ermittelt. Er mag Sauberkeit, eine wichtige Eigenschaft für seinen Beruf. Ob das sein Traumjob sei? Er lacht. «Ich bin reingewachsen. Und jetzt kann ich mir nichts anderes mehr vorstellen.» Er schätzt den Umgang mit den Menschen. Die vielen Kulturen, die ihm bei seiner Arbeit und seinen Ermittlungen begegnen.
Menschenkenntnisse, die er sich über die Jahre angeeignet hat, auch dank mehrerer Kommunikations-Weiterbildungen. Dieses Wissen sei besonders in brenzligen Situationen wichtig, wie ein Fall vor einigen Jahren bewies. Er erwischte mehrere Personen in flagranti beim illegalen Entsorgen. Diese reagierten aggressiv auf Nyffeler und zückten das Messer. «Ich schloss mich sofort in meinem Bus ein und verständigte die Polizei.»
Keine Busse für den Abfallsünder
«Heute kann ich von einem erfolgreichen Tag sprechen», sagt Nyffeler kurz nach zehn Uhr. Die Liste mit den Abfall-Hinweisen ist abgearbeitet. Sein Handy klingelt, eine Whatsapp-Nachricht eines Abwartes einer Wohnsiedlung. Er schickt ihm ein Foto von Sperrgut, das mit zu wenigen Gebührenmarken versehen und viel zu früh an den Strassenrand gestellt wurde. Nyffeler ruft an, verspricht, später vorbei zu kommen.
Kurz nach Mittag fährt der Abfall-Detektiv nochmals an der Rehetobelstrasse vorbei. Die Möbel, der Lattenrost und die Polster wurden jetzt korrekt mit den Gebührenmarken für Sperrgutbündel versehen und am richtigen Ort für die Entsorgung bereitgelegt. Nyffeler hat seinen Job erledigt und die Stadt ein Stück sauberer gemacht.