Seit Hulydrich Zwingli hat wohl kein Zürcher mehr so einen Hype in Appenzell Ausserrhoden ausgelöst wie der Böögg. Diesmal bringt er (hoffentlich) keine Teilung des Kantons, sondern nur viele Leute nach Heiden und Umgebung und ein schönes Fest für alle.
Falls die lieben Zürcher das beschauliche Heiden überhaupt finden. Den Weg in den Alpstein kennen sie mittlerweile ja sehr gut, doch der traditionelle Luftkurort liegt etwas weiter entfernt von der Achse Zürich Nord–Wasserauen. Die Zürcher Hipster-Fraktion hat auch das Sur le Lac in Eggersriet bereits erfolgreich gekapert, aber die Schnittmenge ist fraglich.
Höchste Zeit, ein bisschen etwas über die Region zu lernen, bevor die heidnische Tradition des Böögg-Verbrennens in Heiden (kommt hier aber wohl von Heide = unbebautes Land) vollzogen wird.
Hype an sich hat in Heiden Tradition
Wenn auch nicht durch Zürcher ausgelöst, so hat Heiden bereits in der Vergangenheit sehr viel Aufmerksamkeit erhalten im Verhältnis zu seiner Grösse. Im 19. Jahrhundert war Heiden international als Luftkurort bekannt, unter anderem wurden Molkenkuren angeboten.
Aus heutiger Sicht könnte man das scharfzüngig als frühe Touristenfalle der geschäftstüchtigen Appenzeller einschätzen. Molkenkuren wurden als Behandlung unterschiedlichster Leiden angeboten, von Tuberkulose bis hin zu Fettleibigkeit. Das Konzept setzte sich nicht durch.
Bis zum ersten Weltkrieg war Heiden jedoch Treffpunkt der Oberschicht. Wer es sich leisten konnte, reiste aus ganz Europa an, um in den exklusiven Hotels zu kuren und den Stress des eigenen Landguts mit Bediensteten hinter sich zu lassen.
Die Glanzzeit endete mit dem Beginn des ersten Weltkriegs.
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Heidener Bähnli: Anreisetipp
Das Heidener Bähnli (Offiziell Rorschach-Heiden-Bergbahn) gehört zu den ältesten touristischen Zahnradbahnen der Schweiz. Vielen dient sie jedoch als ganz normales Beförderungsmittel, etwa um zur Arbeit zu kommen.
Und was für ein Arbeitsweg das ist. Die Zahnradbahn verbindet Hauptbahnhof der Hafenstadt Rorschach mit Heiden. Die Strecke führt durch den Wald, bietet einen fantastischen Blick auf den Bodensee und schlängelt sich zwischen den sanften Hügeln des Appenzeller Vorderlands durch.
Für Gäste aus Zürich ist das auch ein toller Anreisetipp: Anstatt einen Bus von St.Gallen aus zu nehmen, lieber mit dem Zug nach Rorschach und dann hoch nach Heiden. Auch Übernachtungsmöglichkeiten dürfte es in Rorschach und Umgebung im Gegensatz zu Heiden selbst noch geben.
Fünfländerblick
Verglichen mit dem Tümpel, den die Böögg-Vorgänger kurz vor ihrem Ableben erdulden mussten, kriegt der AR-Bögg ganz schön was geboten. Der Blick auf den Bodensee ist von Heiden aus geradezu majestästisch, wohl mit ein Grund für den grossen Erfolg von Heiden als Kurort und des nicht mehr ganz so unbekannten Sur le Lac-Festivals.
Am besten sieht man den Bodensee vom Fünfländerblick aus. Von Heiden aus eine nicht allzu strenge Wanderung über die Hängebrücke, welche die beiden Grub (AR und SG) verbindet. Danach wird man mit einem Blick auf fünf (?) Länder belohnt: Die Schweiz, Österreich, Baden, Würtemberg und Bayern. Man ist halt noch traditionsbewusst in Appenzell.
Ob man nun die alten Königreiche und Grossherzogtümer einzeln zählt oder nur auf drei Länder schaut, ist ohnehin egal, der Ausblick ist klasse.
Appenzeller Heilbad
Wenn dir nach dem Sechseläuten auf Appenzeller Art am nächsten Tag der Schädel brummt, gibt es Abhilfe. Einen Sprung in den Bodensee oder den nahegelegenen Rhein etwa. Wer es nicht so frisch mag, kann auch ins Appenzeller Heilbad gehen.
Das befindet sich technisch gesehen auf Boden der Gemeinde Grub (AR!) und dürfte den Böögg-Kater endgültig vertreiben. Falls es ein grösserer Ausflug werden soll, gibt es auch noch ein Thermalbad in St. Margrethen, den Säntispark und weitere.
Oder mach's doch wie die Einheimischen und spring in den Bodensee.
Das Henry-Dunant-Museum ist zu
Für den eher intellektuell orientierten Teil der Gäste würde sich unter normalen Umständen das Henry-Dunant-Museum anbieten. Der Mann hinter dem internationalen Roten Kreuz und den Genfer Konventionen verbrachte seine letzten Lebensjahre in Heiden, zur Blütezeit des bekannten Kurorts.
In Heiden verfasste Dunant seine Memoiren und wurde als erste Person mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Ein passender Ort also für ein Museum. Dummerweise bleibt es auf aufgrund von Sanierungsarbeiten bis August geschlossen.
Heiden selbst
Im Jahr 1839 brannte ein Grossteil des Dorfkerns nieder und wurde daraufhin wieder aufgebaut. Dies wurde sorgfältig geplant, noch heute überzeugt der biedermeierlich-klassizistische Dorfkern. Dieser ist ISOS-zertifiziert, gilt also als besonders schützenswert.
Den besten Ausblick bietet der 41 Meter hohe Kirchturm, der bestiegen werden kann. Hier kann man sich das vielleicht beste Böögg-Gefühl holen: Von hoch oben herab auf den Bodensee schauen. Sogar ohne gleich drauf zu explodieren.