Seit dem ersten Shutdown in der Schweiz häufen sich die Meldungen über Jugendliche, die in Parkhäusern Partys feiern oder sich in Gruppen an Bahnhöfen und vor Tankstelle treffen. Übel nehmen kann man es ihnen nur bedingt. Gerade bei jungen Menschen ist das Bedürfnis nach sozialem Kontakt gross. Umso wichtiger sind Institutionen, die jungen Leuten Zuflucht bieten.
Entscheidung liegt bei Kantonen
Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) obliegt es den Kantonen, darüber zu entscheiden, ob Jugendzentren und Treffs als soziale Einrichtungen oder als Freizeitbetriebe eingestuft werden. Es gelten dann unterschiedliche Regelungen. Bei Kindern und Jugendlichen bis 15 Jahre ist die Fünf-Personen-Regel sowieso für alle Einrichtungen aufgehoben, ungeachtet ihrer Einstufung als soziale Einrichtung oder Freizeiteinrichtung. Dort richtet sich die Gruppengrösse nach der Fläche. Die Kantone können diese Basismassnahmen aber zusätzlich verschärfen.
Ausserrhoden verlangt schulisches Konzept
Diesbezüglich geht der Kanton Appenzell Ausserrhoden seinen eigenen Weg. Im Ausserrhodischen sind die meisten Anlagen vorübergehend geschlossen. «Bei uns steht der Zweck des Jugendtreffs im Vordergrund», sagt Daniel Lehmann, Leiter Amt für Wirtschaft und Arbeit. «Aktuell stufen wir die Treffs als Freizeitlokale ein. Um für Kinder und Jugendliche aufzumachen, egal welchen Alters, müssen die Betreiber erst ein schulisches Konzept vorweisen.» Sobald man die Betreuung des Treffs belegen könne, sei der Betrieb unter Auflagen wieder möglich.
«Jugendliche müssen in der Kälte sitzen»
Obwohl Appenzell Ausserrhoden die Jugendtreffs über diese Möglichkeit informiert haben soll, sind kaum Angebote geöffnet. So auch der Treff in Teufen, für den Thomas Ortlieb, Leiter für Kinder- und Jugendarbeit, zuständig ist. «Von diesem Konzept höre ich zum ersten Mal. Ausserdem muss es doch auch logisch sein, dass Jugendtreffs immer betreut sind», empört er sich. Thomas Ortlieb fällt es schwer, den komplizierten Weg des Kantons nachzuvollziehen. «Wir haben in den Jugendtreffs Schutzmassnahmen umgesetzt, an die sich die Jugendlichen bisher immer gehalten haben. Für mich gibt es keinen Grund, die Treffs zu schliessen.» Die aktuelle Situation führe dazu, dass sich die Jugendlichen heimlich in Gruppen treffen. «Sie sitzen draussen in der Kälte und das ist überhaupt nicht gut. Ich kann mir nur vorstellen, dass sich der Kanton zu wenig damit auseinander gesetzt hat, was unsere Arbeit bedeutet.»
«Die Kontakte sind sehr wichtig»
Wie eine Studie des Bundes zeigt, haben sich Depressionen bei den 14- bis 24-Jährigen seit Beginn der Pandemie versechsfacht. Deshalb setzt sich auch der Dachverband Offene Kinder- und Jugendarbeit Schweiz dafür ein, dass die Anlagen offen bleiben. «Es handelt sich hier nicht um autonome Treffen, sondern um professionell begleitete Angebote. Viele Jugendliche haben ausserdem schon Beziehungen zu den Betreuungspersonen aufgebaut. Dass diese Kontakte bestehen bleiben, ist sehr wichtig», sagt Geschäftsleiter Marcus Casutt. Auch sei es eine belastende Situation, wenn beispielsweise die Eltern immer zu Hause sind und die Jugendlichen keinen Raum für sich haben.
Mehr Jugendliche in den Treffs als sonst
Vielerorts sind die Jugendtreffs aus genau diesem Grund offen und werden gut besucht. «Im Jugendtreff in Buchs haben wir deutlich mehr Besucherinnen und Besucher als noch vor einem Jahr», sagt Markus Büchel, Abteilungsleiter des Kompetenzzentrums Jugend Werdenberg. «Es überrascht mich, dass die jungen Leute trotz der Hürden wie Anmeldung und Schutzkonzept so zahlreich zu uns kommen.» Auch Urs Handte vom Jugenwerk Weinfelden sagt: «Das Zwischenmenschliche ist so wichtig wie noch nie. Unsere Angebote werden extrem gut besucht und zwar von Buben und Mädchen gleichermassen.»
Kein gemeinsames Kochen mehr
Auch in der Stadt St.Gallen sind die Jugendtreffs offen, auch wenn es einige Regeln einzuhalten gilt. «Wir dürfen zum Beispiel den Kiosk nicht öffnen und können auch nicht mehr gemeinsam kochen», sagt Jessica Nelsson vom Jugendtreffpunkt Lollypop im Westen der Stadt. «Das ist etwas schade. Trotzdem kommen die Jugendlichen gerne und regelmässig vorbei. Vor allem unsere Stammgruppen freuen sich, dass sie bei uns weiterhin einen Platz haben.» Eine grössere Nachfrage erlebe man in St.Gallen derzeit aber nicht. «Das kann damit zusammenhängen, dass nicht immer klar ist, was zurzeit gerade gilt – manchmal haben auch die Eltern Bedenken, ihre Kinder während Corona in einen Jugendtreff zu schicken.»
Alles in allem sei es ein grosses Hin und Her und man müsse sich immer wieder neu über die aktuell geltenden Regeln informieren. In diesem Punkt geht es der Jugendarbeit so wie fast jeder Branche in dieser speziellen Zeit.