Thomas Rau, ein bekanntes Gesicht in der Biomedizin, hat die Paracelsus-Klinik in Niederteufen im November 2020 nach kurzer Zeit bereits wieder verlassen. Der 70-jährige Arzt praktiziert nun in seinem neu gegründeten Kurzentrum in Schwellbrunn.
Rau nahm Angestellte aus Paracelsus-Klinik mit
Mit diesem Schritt erfüllt sich der Teufener einen Lebenstraum: «Ich müsste eigentlich schon lange nicht mehr praktizieren. Doch das ist für mich eine absolute Passion, es ist mein Leben.» Ein Teil der Belegschaft im neuen Kurzentrum in Schwellbrunn besteht aus ehemaligen Mitarbeitenden der Paracelsus-Klinik. Momentan wird das neue «Biomed Center Sonnenberg» umgebaut. Dereinst sollen in dem Haus drei Arztpraxen, ein Hotel und ein Restaurant Platz finden. Die ersten Patienten sind bereits in Behandlung.
Klinik-Küche à la Tibits
Die vegetarische Restaurantkette Tibits soll in Zukunft für das leibliche Wohl der Patienten sorgen, wie Rau verrät. Er freue sich sehr auf die Zusammenarbeit zwischen seinem Team und den Vegi-Experten, sagt Rau, denn: «Das gab es so noch nie. Das ist ein Novum.» Auf Anfrage bestätigt Tibits-Mitgründer Reto Frei die Zusammenarbeit mit Rau und seinem Team: «Wir wurden angefragt und fanden das Projekt spannend. Wir wollen Gesundheit und Genuss verbinden.»
Auch Auswärtige dürfen im Kurhaus-Tibits in Schwellbrunn einkehren – allerdings erst ab Ende dieses Jahres. Vorerst bleibt das Restaurant nur den Patienten vorbehalten.
Kritik an Alternativmedizin
Im «Biomed Center Sonnenberg» wollen Rau und sein Team die biologische Medizin (eine Mischung aus Alternativ- und Schulmedizin) einem lokalen und internationalen Klientel zur Verfügung stellen. Die Biomedizin soll Menschen nach Ursachen, nicht nach Symptomen behandeln und verzichtet beispielsweise gänzlich auf Chemie. Auch bei Krebs.
Praktiken dieser Art sind nicht unumstritten. «Viele Alternativbehandlungen sind harmlos. Aber leider sind die Behandler nicht immer harmlos. Diese Leute erkennen die eigenen Grenzen nicht», sagt hierzu Edzard Ernst, emeritierter Professor für Alternativmedizin in Grossbritannien.
Beliebter Arzt – auch bei Promis
Rau praktizierte seit den frühen 90er Jahren an der Paracelsus-Klinik in der Lustmühle als medizinischer Direktor und Teilhaber. Unter seiner Leitung florierte die Privatklinik. Nebst der hiesigen Bevölkerung waren bei ihm auch viele Prominente in Behandlung. Zum Beispiel Meryl Streep oder einer der Söhne von Hollywoodstar Robert De Niro haben sich von Rau behandeln lassen. Eigentlich dürfte er aufgrund des Arztgeheimnisses nicht darüber sprechen. In diesem Fall hätten es ihm die Promis aber erlaubt, sagt er.
Im Jahr 2018 wurde das Arbeitsverhältnis zwischen Rau und der Paracelsus-Klinik ein erstes Mal aufgekündigt. Eine kleine Ausbildungsklinik in Teufen, die Rau nebenbei noch betrieb, wurde in der Folge von Patienten überrannt, bei seinem ehemaligen Arbeitgeber sollen sie ausgeblieben sein. 2019 stellte man Rau wieder ein – jetzt ist er abermals weg. Dieses Mal aber definitiv, wie der Arzt und Unternehmer im Interview bekräftigt. «Ja», antwortet der 70-Jährige lapidar auf die Frage, ob er eine Rückkehr zur Paracelsus-Klinik ausschliesst.
Gerüchteküche brodelt
Derweil ranken sich Gerüchte um ebendiese Paracelsus-Klinik. Gemäss Informationen, die FM1Today vorliegen, hat die Klinikleitung gewissen Mitarbeitenden im Sommer 2020 aufgrund der Corona-Pandemie einen neuen Vertrag mit tieferen Löhnen vor die Nase gesetzt. Unterschrieben sie nicht, mussten sie gehen.
Laut ehemaligen Angestellten, die namentlich nicht genannt werden möchten, kam es dabei auch zu Entlassungen von Ärzten und Führungspersonen, die die Lohnkürzungen nicht hinnehmen wollten und sich darum weigerten, den neuen Vertrag zu unterschreiben. Sie berichten von Unvermögen in der Geschäftsleitung und fehlender Koordination im Bereich der Kurzarbeit aufgrund der Corona-Pandemie. Zudem soll die Privatklinik in Lustmühle kurz vor dem finanziellen Kollaps stehen. Ferner soll der CEO entlassen worden sein.
Darauf angesprochen bestätigt Rau die finanziellen Diffizilitäten seines ehemaligen Arbeitgebers: «Es ist so. Über die Details möchte ich mich allerdings nicht äussern.»
Todesfall und Razzien
Es ist nicht das erste Mal, dass die Paracelsus-Klinik Schlagzeilen macht. Ein aufsehenerregender Fall war der des Prinzen Sadruddin Aga Khan. Der Sohn des pakistanischen Fürsten liess sich wegen einer Krebserkrankung 2002 in Lustmühle behandeln. Nachdem der ehemalige UN-Hochkommissar für Flüchtlinge mehrere Injektionen ins Brustbein erhalten hatte, klagte er über Schmerzen bei der Injektionsstelle und Fieber. Neun Monate später starb Sadruddin Aga Khan in Boston an den Folgen einer Infektion im Alter von 70 Jahren.
Die Familie des Prinzen machte Thomas Rau für seinen Tod verantwortlich, worauf es zu einem jahrelangen Rechtsstreit kam. Der Fall verjährte.
2014 kam die Paracelsus-Klinik ins Visier der Behörden, weil der damalige Verwaltungsratspräsident unter Verdacht stand, Handel mit illegalen Präparaten zu betreiben. Auf Ersuchen des Bundesamtes für Gesundheit und der Heilmittelbehöre Swissmedic kam es in verschiedenen Schweizer Kantonen zu Razzien. Auch Rau wurde in den Fall hineingezogen, doch der Verdacht erhärtete sich nicht.
Paracelsus-Klinik hüllt sich in Schweigen
Seit 2016 gehört die Klinik zu grossen Teilen dem chinesischen Milliardenkonzern Huapont Pharmaceuticals. Gerüchten zufolge soll die Klinik ab diesem Zeitpunkt komplett umgekrempelt worden sein.
Ruft man bei der Klinik an, landet man direkt beim Telefonbeantworter: «Aufgrund der sich verschlimmernden Covid-19-Situation haben wir uns entschlossen, den Klinikbetrieb im Januar und Februar auf ein Minimum zu reduzieren. Gerne sind wir ab März wieder für Sie da.» Der letzte Newsletter auf der Webseite der Klinik datiert vom Mai 2020. Sämtliche Kontaktanfragen von FM1Today, per Mail oder Telefon, blieben unbeantwortet.