Sie sind klein. Sehr klein. Aber trotzdem sollen sie, wenn es nach den Vorstellungen des Gaiser Architekten Robert Kochgruber geht, allen erdenklichen Wohnkomfort bieten. Die Rede ist von sogenannten Tiny Houses. Mit einer Wohnfläche bis maximal 45 Quadratmetern gelten sie als räumliche Antwort auf den Minimalismus, das bewusste Verzichten auf alles, was nicht unbedingt notwendig erscheint. Die Tiny-House-Bewegung hat ihren Ursprung in den USA. Langsam fasst sie aber auch hierzulande Fuss. Kochgruber ist ein Befürworter dieses Trends, reist er doch schon seit elf Jahren zusammen mit seiner Frau Petra in einem 12 Quadratmeter grossen Wohnmobil durch die Welt. «Wir haben die Erfahrung gemacht, wie schön es ist, ein solch kleines, kuscheliges Haus zu haben», sagt Petra Kochgruber. Und eines, das alles beinhaltet, was sich die Kochgrubers vorstellen.
Eine Erfahrung, die sie nun weitergeben möchten. Zusammen mit Matthias Mösli, Inhaber der Mösli Holzbau GmbH, plant das Ehepaar in Gais die Erstellung der ersten Tiny-House-Siedlung der Ostschweiz. Die Visiere im Rotenwies stehen bereits. Fünf Häuser sollen hier auf der Parzelle direkt neben Möslis Holzbauunternehmen entstehen. Angeboten werden drei unterschiedliche Grössen zwischen 17 und 25 Quadratmetern. Sie alle werden mit sechs Schrauben auf den Fundamenten fixiert. So können die neuen Besitzer selbst entscheiden, ob sie das dazugehörige Grundstück in der Rotenwies pachten oder lieber ihr Häuschen mittels eines Tiefladers zu einem anderen Ort bringen wollen.
Die Häuser entstehen aus Holz
Gebaut werden die Häuser aus Holz. Die Bäume stammen aus dem Hirschberg, eine Sägerei in Gais schneidet das Holz zu, und bei Matthias Mösli werden sie zum Tiny House weiterverarbeitet. «Unsere Transportwege sind extrem kurz», sagt Mösli. «Die CO2-Bilanz ist somit ausserordentlich gut.» Mehr noch: Er forstet die geschlagenen Bäume in seinem Wald auch gleich wieder auf. Hier in der Produktionshalle der Mösli Holzbau GmbH steht denn auch der Rahmen des ersten Tiny Houses. Und hier werde gemäss Robert Kochgruber auch ersichtlich, worin sich «seine» von den regulären Tiny Häusern unterscheiden. «Wir haben hier eine Wandstärke wie bei einem hochwertigen Einfamilienhaus.»
Die damit einhergehende Isolation mache eine Phasenverschiebung von zwei bis drei Grad möglich. Sprich: Die Häuser heizen sich im Sommer nicht zu stark auf, und werden im Winter nicht allzu kalt. «Die mangelhafte Isolation ist das Problem vieler Tiny-Häuser auf dem Markt», führt Kochgruber aus. Das habe ihnen den Ruf von umgebauten Bau- oder Zirkuswagen eingebracht.
Das Gaiser Team will hier mehr bieten. Rund neun Jahre dauert mittlerweile die Planung. Diese Zeit war gemäss Kochgruber vor allem vonnöten, um dem Anspruch der Nachhaltigkeit gerecht zu werden. Denn die Messlatte der Drei ist hoch. Sie wollen ein energieautarkes Zuhause schaffen. Darum werden auf allen Tiny Häusern Fotovoltaikanlagen und ein Windrad installiert. Diese sind an eine leistungsstarke Batterie angeschlossen. Die Infrarot-Niederenergie-Heizung wird elektrisch betrieben. «Unsere Häuser stellen eigentlich mehr Strom her als sie benötigen», stellt Robert Kochgruber zufrieden fest. Ob der überschüssige Strom ins Netz eingespiesen wird, ist noch offen.
Völlig autarkes Haus wird nicht bewilligt
Sicher ist aber bereits, dass die Aufbereitung des Schmutzwassers in Gais nicht bewilligt wird. Kochgruber hat ein System für eine Mini-Kläranlage aus der Schifffahrt übernommen. Aber diese Idee wird nun nicht umgesetzt. Petra Kochgruber seufzt: «Es wäre schön gewesen, wenn wir dieses System hätten einbauen dürfen. Dann wären unsere Häuser nämlich komplett autark gewesen.» Es entspreche dem Grundproblem visionärer Ansätze. «Sie scheitern oft an den Richtlinien, die gelten.» Deshalb müssen die Tiny Häuser auch an das Frischwassersystem der Gemeinde angeschlossen werden. Dennoch könnte zusätzlich das Regenwasser von den Dächern in Wassertanks gesammelt und mittels Silberionen gefiltert, gereinigt und genutzt werden.
Tiny House kostet rund eine Viertelmillion
Die ganze Technik hat jedoch ihren Preis. Mit rund 60‘000 Franken schlägt sie zu Buche. Zusammen mit der Isolation auf Einfamilienhaus-Standard, dem Bau und der Inneneinrichtung kommen somit als Preis für ein Tiny House in Gais zwischen 250‘000 und 300‘000 Franken zusammen. Eine stolze Summe, dessen ist sich Kochgruber bewusst. Er verweist jedoch auf den hohen Ausbaustandard und darauf, dass ein vollausgestattetes, autarkes Wohnmobil nur unwesentlich günstiger sei. Die Tiny Häuser in Gais sind feuerpolizeilich versichert. Das wiederum mache sie auch als Renditeobjekte interessant, ergänzt Petra Kochgruber.
Noch ist das Projekt aber nicht so weit fortgeschritten. Zwar gebe es bereits mehrere Interessenten für die Häuser, führt Robert Kochgruber aus, doch die Baubewilligung steht noch aus. Vorgesehen ist der Baubeginn im kommenden Frühjahr. Nach nur elf Wochen Bauzeit soll das erste Tiny House dann bezugsbereit sein. «Wir starten jetzt richtig durch!», freut sich Petra Kochgruber. Denn die Drei sind bereits in Gesprächen für zwei weitere Tiny-House-Siedlungen in der Ostschweiz; eine im Eichberg und eine in Balgach. Im Appenzellerland ist diejenige in Gais im Moment die einzige, die geplant ist.