St.Gallen, Thurgau, Ausserrhoden und Graubünden sind sich einig: Der Bundesrat muss die Corona-Massnahmen schneller lockern. Alle Kantone haben über das Wochenende Mitteilungen veröffentlicht, in denen zusätzliche Öffnungsschritte vom Bundesrat gefordert werden. Der Bundesrat hat am letzten Mittwoch den Fahrplan für die nächsten Monate angekündigt. Beginnend am 1. März soll es alle vier Wochen neue Lockerungen in der Schweiz geben. Vorerst sollen nur Einkaufsläden, Museen und Zoos öffnen dürfen. Gastrobetriebe sollen gemäss Bundesrat erst im April mit ersten Lockerungen rechnen können.
St.Gallen
Die Regierung des Kantons St.Gallen erachtet aufgrund der aktuellen Lage die Lockerung von Massnahmen als angebracht und vertretbar, schreibt der Kanton am Samstag. Weil die epidemiologische Lage aber deutlich besser sei, fordert sie stärkere Lockerungen als vom Bundesrat vorgeschlagen. So sollen beispielsweise die Aussenbereiche von Gastrobetrieben generell geöffnet werden, die maximale Personenzahl bei privaten Veranstaltungen im Innern auf zehn erhöht werden oder die Homeoffice-Pflicht zur Homeoffice-Empfehlung werden.
Tatsächlich sinken die Fallzahlen, Hospitalisationen und Todesfälle in St.Gallen kontinuierlich. Im Vergleich: Am 22. Januar meldete der Kanton 908 Neuansteckungen in den letzten sieben Tagen. Am 19. Februar meldete der Kanton ebenfalls für die letzten sieben Tage 327 Neuansteckungen. Die Fallzahlen betragen somit nach einem Monat nur noch ein Drittel. Zudem sei die Auslastung der Intensivstationen sowie jene des Contact Tracings in St.Gallen aktuell tief.
Allerdings steigen in St.Gallen wie auch im Rest der Schweiz die registrierten Fälle mit den Virusmutationen. Seit Dezember sind die Mutanten in der Schweiz auf dem Vormarsch. Vorletzte Woche machten die Varianten 20 Prozent der St.Galler Fälle aus. Letzte Woche waren es bereits 25 Prozent. Insgesamt wurden in St.Gallen bisher 370 Mutationen nachgewiesen.
Graubünden
Der Kanton Graubünden findet die Lockerungsschritte des Bundesrats «willkürlich, zu wenig dynamisch und zu einseitig auf die begrenzenden Massnahmen fokussiert». Die Bündner Regierung fordert, dass die aktive Teststrategie im Kanton vom Bund honoriert wird. Wie St.Gallen will auch Graubünden, dass die Aussenbereiche von Gastronomiebetrieben bereits ab dem 1. März geöffnet werden. In einigen Bündner Bergregionen sind die Terrassen, entgegen der Regelung des Bundesrats, schon heute geöffnet. Ausserdem sollen Kinos, Theater und andere kulturelle Institutionen – mit Maskenpflicht, sitzend und mit Abstandsregeln – öffnen dürfen.
Auch in Graubünden sinken die Zahlen der aktiven Fälle stetig. Am 21. Februar meldet der Kanton 147 aktive Fälle mit dem Coronavirus, am 21. Januar waren es noch 468 aktive Fälle. In den letzten zwei Wochen wurden in Graubünden 150 Neuinfektionen verzeichnet; davon betreffen 103 Mutationen. Somit machen die Mutationen in den letzten zwei Wochen fast 70 Prozent aller Neuinfektionen aus. Insgesamt wurden in Graubünden bisher 324 Mutationen nachgewiesen.
Während aber die Anzahl durchgeführter Tests in der Schweiz stetig abnimmt, steigt diese Zahl in Graubünden. Täglich werden rund 0,6 Prozent der Bündnerinnen und Bündner getestet. Gemäss amerikanischen Ökonomen müssten aber pro Tag rund 10 Prozent der Bevölkerung getestet werden, um die Corona-Massnahmen überflüssig zu machen.
Thurgau
Auch dem Kanton Thurgau gehen die geplanten Lockerungsschritte zu wenig weit. Es sei an der Zeit, der Bevölkerung «eine dringend benötigte Perspektive zu geben» und die «mittlerweile stark strapazierte Wirtschaft zu entlasten». Aussenbereiche der Gastronomie sollen im März geöffnet werden, die Altersgrenze im Bereich Sport und Kultur soll von 18 auf 20 Jahre angehoben werden und in Innenräumen sollen private Treffen von zwei Haushalten mit mehr als fünf Personen möglich sein, fordert der Kanton unter anderem.
Ähnlich wie in St.Gallen und Graubünden sinken die Fallzahlen und Todesfälle im Thurgau. Die Zahl der Hospitalisationen steigt seit dem 12. Februar langsam wieder an, die Belegung der Intensivpflegeplätze bleibt kontinuierlich tief. Im Kanton Thurgau wurden seit Dezember 2020 266 PCR-Tests (Stand 15. Februar) auf die Virusmutationen sequenziert. In 150 Fällen wurde eine Mutation festgestellt. Seit Mitte Januar steigt die Zahl der täglichen Fälle mit den Varianten kontinuierlich an.
Appenzell Ausserrhoden
Der Ausserrhoder Regierungsrat erachtet die vom Bundesrat vorgeschlagenen Öffnungen «als Ungleichbehandlung vergleichbarer Branchen und angesichts der sinkenden Fallzahlen als zu zögerlich», heisst es in einer Mitteilung der Ausserrhoder Kantonskanzlei vom Samstag. Auch hier wird eine Öffnung der Aussenbereiche der Gastrobetriebe ab dem 1. März gefordert.
Im Kanton Appenzell Ausserrhoden sind die Zahlen der Neuinfektionen und Hospitalisierungen seit Januar 2021 Rückläufig. Aktuell beträgt der 7-Tage-Schnitt bei Neuinfektionen 4,71. Zur gleichen Zeit im Januar lag dieser Wert bei 16,86. Bisher wurden in Appenzell Ausserrhoden 31 Virusmutationen nachgewiesen.
Appenzell Innerrhoden
Die Regierung des Kantons Appenzell Innerrhoden hat sich bisher nicht zu den Lockerungsschritten des Bundes geäussert. Seit dem 1. Dezember wurden 15 Todesfälle gemeldet, nur ein Fall der britischen Virusvariante wurde registriert.
Bundesrat entscheidet am Mittwoch
Die epidemiologische Lage scheint sich in der Ostschweiz und Graubünden in die richtige Richtung zu entwickeln. Allerdings: Die Virusvarianten nehmen in den Statistiken immer mehr Platz ein. Immerhin verbreite sich das mutierte Virus gemäss BAG aktuell weniger schnell, als zu Beginn befürchtet. Anstatt bei einer Verdoppelung der Fallzahlen alle sieben Tage seien es aktuell alle zehn Tage. Ob dies ausreicht, um die von den Kantonen geforderten Lockerungen umzusetzen, wird der Bundesrat am Mittwoch bekanntgeben.
(dab)