Der Grosse Rat hat entschieden: In Appenzell Innerrhoden dürfen neu auch Försterinnen, Wildhüter oder Mitarbeitende der Jagd- und Fischereiaufsicht in gewissen Bereichen Bussen ausstellen. Es mache wenig Sinn, dass die Kantonspolizei mit einer Patrouille in unwegsames Gelände ausrücke, weil eine Jagdaufseherin oder ein Jagdaufseher im Alpsteingebiet eine Person festhält, die gegen das Drohnenverbot verstösst, die aber bezüglich der Erledigung der Angelegenheit mit einer Ordnungsbusse einverstanden ist, heisst es in der Botschaft.
Die Ausgangslage im Kanton Appenzell Innerrhoden war klar: In den Bereichen Natur- und Heimatschutz, Forstwesen, Jagd und Fischerei durften bis anhin nur Kantonspolizistinnen und -polizisten Ordnungsbussen ausstellen. Ein Umstand, der die Effizienz des Bussensystems erheblich schmälere, heisst es in der Botschaft zur Verordnung über die Ordnungsbussen. Das Problem: Stellten beispielsweise Mitarbeitende des Oberforstamts oder der Jagdverwaltung Regelverstösse im Wald fest, durften diese keine Bussen ausstellen – bis jetzt.
«Es gibt Achsen, auf denen es zu Reibungen zwischen Bikern und Wanderern kommt»
Somit dürfen neu Biker, welche auf Wanderwegen fahren, von Revierförsterinnen- und förstern sowie kantonalem Forstpersonal gebüsst werden. «Wir wissen, dass es gewisse Achsen gibt, auf denen es zu Reibungen zwischen Bikern und Wanderern kommt. Es gibt Biker, welche den Wald oft für ihr Hobby nutzen, was allerdings nicht so vorgesehen ist. Das ist eine alte Herausforderung für den Kanton», sagt Jakob Signer, Innerrhoder Landesfähnrich und Vorsteher des Justiz-, Polizei- und Militärdepartements, gegenüber FM1Today.
Die Bussen für die Biker können bis zu 100 Franken betragen. Dass aufgrund der neuen Verordnung das Bussenkässeli des Kantons auf einen Schlag gefüllt wird, bezweifelt Signer: Es wird jetzt keine Bussen-Welle geben. Ausserdem sind es insgesamt nur 19 Personen, die neu Bussen ausstellen dürfen, was nicht viele sind.»
«Für Biker ändert sich kaum etwas»
Auch die Biker selbst bezweifeln, dass sich an der aktuellen Situation viel verändern wird: «Es kommt darauf an, wie ernst die Verordnung umgesetzt wird», sagt Jürg Buschor, Co-Präsident des Vereins MTB Rheintal, der sich für die Interessen für Bikerinnen und Biker im Rheintal und im Appenzeller Vorderland einsetzt. Aktuell gebe es in Innerrhoden fast keine bikespezifischen Strecken, sodass Bikerinnen und Biker meist auf die für sie nicht legal befahrbaren Wanderwege ausweichen würden. Dass es dort zu Bussen kommen könnte, sei den Bikern bewusst und entspreche auch dem Status Quo. Oft sei dies aber nicht passiert. Deshalb ist sich Buschor auch sicher: «Für uns Mountainbikerinnen und Mountainbiker ändert sich an der aktuellen Situation kaum etwas.»
«Zeitpunkt für neue Bussen ist immer ungünstig»
Über die neue Innerrhoder Verordnung ist Jürg Buschor wenig überrascht. Doch der Zeitpunkt verwundert ihn, denn: «Es gibt aktuell in Innerrhoden Bemühungen, spezifische Bike-Trails auszuweisen und so eine gezielte Lenkung zu erreichen. Dies soll im Rahmen der kantonalen Waldentwicklungsplanung geschehen, zu welcher es erst vor zwei Wochen ein erstes Treffen mit allen involvierten Gruppen gab.» Beteiligt daran seien unter anderem Vertreter der Wanderer, Forstwarte, der Kanton und eben auch die Biker. Im Rahmen des Waldentwicklungsplans sollen diverse Ziele für den Wald betreffende Themen erarbeitet werden. Dazu gehören unter anderem die Waldbiodiversität, Walderhaltung und auch Gesellschaft und Erholung.
Dass die neue Bussenverordnung und die Waldentwicklungsplanung sich zeitlich überschneiden, sei ein Zufall, sagt Jakob Signer: «Der Zeitpunkt für die Einführung neuer Bussen ist immer ungünstig. Ausserdem steht das Waldentwicklungsprojekt noch ganz am Anfang.»
«Wehren uns gegen solche negative Symbolik»
Innerrhoden ist nicht der einzige Kanton, der sich mit der Bussen-Thematik beschäftigt. Im Kanton Thurgau ging diesen Frühling das Waldgesetz in die Vernehmlassung. Biker, die sich abseits von Waldstrassen bewegen, würden den Forstdienst zunehmend beschäftigen. Deshalb sollen auch im Thurgau künftig Organe des Forstdienstes die Kompetenz erhalten, Ordnungsbussen zu erteilen. Die Vernehmlassung dauerte bis am 2. Mai 2022, ein Ergebnis ist noch ausstehend.
Dass das Biken zum Politikum wird, stört den Vorsitzenden des Vereins Biketrails Ostschweiz, Philipp Mayer: «Als Interessenvertreter wehren wir uns gegen solche negative Symbolpolitik. Sie wird ausser schlechter Stimmung kaum etwas erreichen.» Deshalb würden Regionen mit Bussen für Biker grossflächig gemieden und auf Regionen wie Graubünden oder das Tessin ausgewichen. «Leider gibt es in Appenzell Innerrhoden kaum legal befahrbare Routen, welche aus Bikersicht interessant sind», sagt Mayer. Dass die Biker Innerrhoden eher meiden müssten, sei schade.
Ob und wie sich die neue Innerrhoder Bussenverordnung auf das Bikevergnügen auswirken wird, wird sich noch zeigen. Aktuell dürfen die Beamten nämlich noch gar keine Bussen ausstellen – vorerst müssen sie noch von Kantonspolizisten geschult werden.