Ostschweiz

Betrugsprozess in Jona: Ehepaar soll knapp 600'000 Franken IV-Rente ergaunert haben

Jona

Sie sollen fast 600'000 Franken IV-Rente ergaunert haben: Simulanten-Ehepaar vor Gericht

23.01.2024, 21:13 Uhr
· Online seit 23.01.2024, 20:50 Uhr
In Jona wird am Mittwoch ein spektakulärer Betrugsfall verhandelt. Vor Gericht stehen ein 63-Jähriger und seine Ehefrau – die beiden haben mutmasslich Krankheiten vorgetäuscht und damit fast 600'000 Franken ergaunert. Bei einer Verurteilung droht den beiden eine mehrjährige Haftstrafe.
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Fehlende Kreativität und mangelhafte Schauspielkunst wird den beiden nicht vorgeworfen – dafür eine Menge anderer Dinge. Am Mittwoch steht in Jona die Verhandlung über einen womöglich riesigen IV-Betrugsfall an: Ein Ehepaar soll während Jahren – zwischen 2003 und 2014 – Geld aus der Invalidenversicherung, der Pensionskasse und der 3. Säule erhalten haben, das ihnen gar nicht zusteht.

Angeklagter führte Ärzte hinters Licht

Das Paar soll um den Mann, der Hauptangeklagter ist, ein massives Lügengebilde aufgebaut haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 63-Jährigen vor, sich selbst als psychisch und physisch schwerkrank dargestellt zu haben, wie die «Südostschweiz» schreibt. Unter anderem habe er eine Beinahe-Blindheit und Symptome wie Schwindel, Allergien und chronische Rückenschmerzen vorgegaukelt. Zudem habe er gegenüber Ärzten angegeben, dass er Begleitung beim Einkaufen brauche, nur als Beifahrer im Auto sitzen könne und auch im ÖV Begleitung brauche, da er sonst verloren gehe. Die Ärzteschaft kaufte dem Mann seine Aussagen zu Beginn ab und diagnostizierte unter anderem eine psychische Störung.

Frau stützt Geschichte ihres Mannes

Seine Ehefrau spielte munter mit. Zwar ging sie normal einer Arbeit nach, doch sie stützte der Anklage zufolge die Krankheitsgeschichte ihres Gatten. Gemäss dieser hatte sie auch allen Grund dazu: Das Paar pflegte einen gehobenen Lebensstandard, besass zwei Autos, ein Boot, ein grosses Haus und gönnte sich zudem regelmässige Ferien mit den beiden Kindern.

Es dauerte bis 2013, ehe die Sozialversicherungen den mutmasslichen Hochstaplern auf die Schliche kamen – und das auch nur dank eines anonymen Hinweises, wonach der Beschuldigte sich im Alltag völlig normal verhalten haben soll.

Was dann folgte, scheint besonders dreist: Bei einem aufgrund des Hinweises angeordneten Überprüfungsverfahren der Sozialversicherung gaben die Eheleute an, der Gesundheitszustand des Mannes habe sich sogar noch verschlechtert. Er sei kaum belastbar, habe «krankheitsbedingte Totalausfälle» und bekomme in Anwesenheit vieler Menschen Panik.

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Observation zeigt komplett anderes Bild

Doch mittlerweile überwog die Skepsis bei den Versicherungsangestellten: Sie liessen den langjährigen IV-Bezüger beschatten – und machten aufschlussreiche Beobachtungen: Der vermeintlich Schwerkranke bewegte sich ohne Einschränkungen, wirkte aufmerksam, fit, beweglich, pflegte soziale Kontakte ohne Probleme, lenkte mehrere verschiedene Fahrzeuge, ging einkaufen, bediente sein Handy und trug schwere Lasten wie Autopneus oder Kisten mit Brennholz.

Zudem soll er seine mittlerweile erwachsenen Kinder regelmässig zur Schule gefahren, sonstige Familienausflüge wie ausgeprägte Wanderungen unternommen haben, an Festen erschienen sein und offen und aufmerksam Kontakt mit anderen Menschen gepflegt haben.

Auch beruflich war der mutmassliche Betrüger offenbar umtriebig – obwohl er doch eigentlich arbeitsunfähig gewesen sein soll. So hat er laut Anklage einen Onlineshop aufgebaut, eine Firma als Geschäftsführer geleitet, sich im Immobiliengeschäft versucht und eine Boutique in IT- und Marketing-Fragen beraten haben.

Das mutmassliche Lügengebilde kollabiert

Das Lügenkonstrukt bekam folglich mehr und mehr Risse. An einem Gespräch konfrontierte die IV-Stelle das Ehepaar mit den Observationen und den festgehaltenen Beobachtungen – eine massive Diskrepanz zum Auftritt des 63-Jährigen beim Termin: Er erschien mit verdunkelter Brille, Blindenstock, Lupe und Lendenstützgurt. Er bekräftigte erneut seine diversen Leiden und seine Frau stärkte ihm erneut den Rücken. Mittlerweile müsse sie ihm gar beim Anziehen der Socken helfen, zudem mache er in die Hose.

Die IV stellte die Zahlungen an die beiden in der Folge ein. Zwei Gutachten attestierten dem Mann in den folgenden Jahren nun auch hundertprozentige Arbeitsfähigkeit. Für die Anklage ist klar, dass die beiden Simulanten sich des gewerbsmässigen Betrugs schuldig gemacht haben. Sie fordert dreieinhalb Jahre Haft für den Mann und drei Jahre für die Frau. Zudem sollen beide 285'000 Franken zurückzahlen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Die Verhandlung findet nun am Mittwoch am Kreisgericht See-Gaster in Jona statt, auf FM1Today berichten wir über die Ereignisse beim Prozess.

veröffentlicht: 23. Januar 2024 20:50
aktualisiert: 23. Januar 2024 21:13
Quelle: FM1Today

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