Eigentlich begann der Abend für Mitja Zorman ganz unspektakulär. «Ich ging nach der Arbeit nach Hause, um zu duschen, und danach fuhr ich in die Stadt. Das Wetter war so schön, darum setzte ich mich auf eine Bank beim Marktplatz und ass eine Bratwurst.» Dann sah er von Weitem zwei Männer, die kämpften. «Zuerst dachte ich, es sei einfach eine Keilerei zwischen zwei Männern. Doch dann hörte ich eine Frau ‹Messer› schreien und rannte sofort zum Starbucks hoch», schildert der 50-jährige Slowene.
Er habe gesehen, wie der Täter mit dem Messer richtig «zugeschlagen» habe. «Da wusste ich: Er will ihn umbringen, und ich muss etwas dagegen tun.» Er habe den Mann, der mit seinem Opfer am Boden gekämpft habe, «ausgeknockt» und ihm das Messer weggenommen. «Dann hielt ich ihn fest, bis die Polizei kam.»
Keine Zeit für Angst
Es ging alles so schnell, Angst sei nicht aufgekommen. «Ich versuche immer, Leuten zu helfen.» Zorman macht seit mehreren Jahren Kampfsport und arbeitet Vollzeit im Update Fitnesscenter in Uzwil. «Ich kann mich schon verteidigen, wobei ich wusste, dass es nicht einfach wäre, gegen den Täter zu ringen. Er ist ziemlich gross und kräftig», sagt der Slowene. Aber ihm sei auch klar gewesen, dass er keine Zeit habe und ihn schnell ausschalten müsse.
Viele Leute seien weggerannt, als sie das Messer sahen. «Das ist ganz natürlich, ich verstehe das. Man könnte ja sterben.» Als er den Mann am Boden hatte, bekam Zorman Hilfe von hinten, «wahrscheinlich von einem Mann». Er habe die Beine des Täters mit einem Stuhl heruntergedrückt. «Dann war er nicht mehr so beweglich und ich konnte ihn besser halten, bis die Polizei kam.»
«Man kriegt fast Mitleid»
Der Täter habe sich nicht gross gewehrt. «Der erste Schlag war heftig. Ich habe mich gewundert, dass er überhaupt so schnell zu sich gekommen ist.» Er habe aber keine Kraft mehr gehabt, sagt Zorman. «Als ich ihn herunterdrückte, hat er mich gebeten, nicht so fest zu drücken, weil er keine Luft bekomme.» Am Boden sei er wie ein Kind gewesen, ganz verloren. «Man bekommt fast Mitleid.»
Opfer ist den Verletzungen erlegen
Das Opfer sei während der ganzen Zeit bei Bewusstsein gewesen. «Er wollte reden, aber er konnte nicht. Es war richtig schlimm, ein Blutbad.» Das 22-jährige Opfer ist am Dienstag seinen schweren Verletzungen erlegen. Zorman dachte oft an das Opfer und hoffte, der junge Mann würde es schaffen. Dann hätte die ganze Aktion einen Sinn gehabt.
Rassistische Motive?
Mitja Zorman ist in Gedanken oft bei dem Vorfall, wobei ihm das Blut nicht so viel ausmache. «Mich beschäftigt eher die Frage, wie jemand in der Lage ist, einem anderen so etwas anzutun», sagt der Slowene. «Vielleicht hatte der Täter ein rassistisches Motiv», vermutet Zorman.
Die Polizei kann das nicht bestätigen. Das Motiv ist weiterhin unklar. Der Verhaftete machte bei den Befragungen einen verwirrten Eindruck. Ihm wurde eine Blut- und Urinprobe abgenommen, um festzustellen, ob er unter Drogen stand.
«Hier findet eine Nato-Gasflaschen-Übung statt»
Dass der Täter, ein 42-jähriger Schweizer, sehr verwirrt war, zeigen auch die Schilderungen von anderen Zeugen. Ein Mann sass mit seiner Frau und ihrem Baby in der Gartenbeiz eines Restaurants in der Marktgasse. Um etwa 16 Uhr kam der später Verhaftete auf sie zu und sagte: «Ich muss Sie informieren, dass hier eine Nato-Gasflaschen-Übung stattfindet. In der Stadt St.Gallen herrscht deshalb erhöhte Brandgefahr. Ich rate Ihnen dringend, zu gehen, vor allem wegen des Kindes.»
Täter schien psychisch angeschlagen
Der Augenzeuge sagt: «Der Täter schien psychisch angeschlagen und war verwirrt.» In einem ersten Moment nehme man eine solche Aussage nicht ernst. Im Nachhinein ist für den Augenzeugen klar, dass der Täter warnen wollte, dass demnächst etwas passiere. «Das hinterlässt schon ein mulmiges Gefühl, vor allem, weil es scheint, als sei das Opfer ein Zufallsopfer.»
Der Augenzeuge hat den Vorfall der Polizei gemeldet. «Die Polizei bestätigte, dass es sich beim verwirrten Mann wohl um den Täter gehandelt hat. Die Beschreibung stimme überein.»