In Chur ist ein Konsumraum für Drogen – früher Fixerstübli genannt – seit längerem ein Thema. Nachdem letztes Jahr klar geworden ist, dass der Kanton Graubünden vorerst keinen schaffen will, wurde das Churer Stadtparlament aktiv. Es beauftragte Ende 2021 die Stadtregierung, die Einrichtung und den Betrieb eines Konsumraumes zu prüfen.
Wie Stadtrat Patrik Degiacomi am Montag vor den Medien erklärte, sieht die Stadtregierung einen Konsumraum für Drogen als sinnvollen Puzzlestein in der städtischen Sucht- und Drogenpolitik. Einerseits soll damit die Situation der Drogenabhängigen verbessert werden, andererseits die Drogenszene für die Öffentlichkeit weniger sichtbar gemacht werden.
«Nur zusammen mit anderen Hilfsangeboten sinnvoll»
Der Konsumraum mache aber nur zusammen mit den anderen Hilfsangeboten von Stadt und Kanton Sinn, betonte Vorsteher des Departements für Bildung Gesellschaft Kultur. Dazu gehören etwa eine Kontakt- und Anlaufstelle, betreute Wohnangebote oder die aufsuchende Gassenarbeit.
«Losgelöst von diesen Angeboten bringt ein Konsumraum zwar mehr Ordnung in den öffentlichen Raum, hilft aber den Suchtabhängigen nicht sehr», erklärte Degiacomi.
Die Stadtregierung will den Konsumraum auch deshalb an die vom Kanton finanzierte Kontakt- und Anlaufstelle für suchtbelastete und randständige Menschen anschliessen. Sollte der Gemeinderat kommenden Donnerstag die erforderliche Million sprechen, geht die Suche nach einer geeigneten Liegenschaft im Stadtzentrum los.
Stadt und Kanton rechnen damit, dass die Suche keine einfache wird. Je nach deren Verlauf könnte der Raum für Drogenkonsum zwischen 2024 und 2026 eröffnet werden.
Drogenszene aggressiver geworden
Zur offenen Churer Drogenszene gehören laut Degiacomi etwa 100 Personen. Rund 60 haben ihren Wohnort in Chur und 20 im übrigen Graubünden. Bei weiteren 20 ist die Herkunft unklar, einige kommen wohl aus dem Raum St.Gallen.
Die Lage in der Szene habe sich vor zwei bis drei Jahren «rapide verschlechtert», erklärte der Stadtrat. Einerseits habe die Konsumverlagerung von Heroin zum kokainbasierten Freebase dazu beigetragen. Weil dessen Wirkung weniger lang anhalte, habe das zu einer grösseren Dynamik und Aggressivität in der Szene geführt.
Zum anderen habe sich die Corona-Pandemie negativ ausgewirkt. Im Sommer 2020 hätten viele Städte im Kampf gegen das Virus ihre öffentlichen Anlagen geschlossen, Chur aber nicht. Damals habe sich bis nach Zürich herumgesprochen, das in der Bündner Hauptstadt «Stoff» einfach und günstig zu haben sei.
Die ersten Schweizer Städte – Bern und Zürich – richteten «Fixerstübli» bereits Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre ein. «Wir hatten auf der Drogenszene einigermassen einen Deckel drauf», antwortete Degiacomi auf die Frage, warum diese Entwicklung in Chur so viel später komme. Aus der Sicht der Bevölkerung sei die Situation einigermassen «okay» gewesen. Die Änderung des Konsumverhaltens und Corona hätten diesen Deckel nun «gelupft».