Die Benützung der Strasse am 14. Januar 2023 hätte zumindest teilweise zugelassen werden müssen, schreibt das Bundesgericht in einem am Freitag veröffentlichten Urteil. Stattdessen führte die Route über Nebenstrassen und Wanderwege.
Die komplette Verschiebung der «Winterwanderung» von der Kantonsstrasse weg stellt laut Gericht einen unverhältnismässigen Eingriff in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit dar. Diese Grundrechte würden in einem begrenzten Ausmass einen Anspruch darauf geben, für Kundgebungen mit einer Appellwirkung öffentlichen Grund zu benützen.
Diesem sogenannten Publizitätsinteresse sei im Rahmen des Bewilligungsverfahrens Rechnung zu tragen. Ziel der Kundgebung sei namentlich gewesen, auf die Kritik am WEF aufmerksam zu machen. Weil dessen alljährliches Treffen in Davos ein weltweites Publikum erreiche, müsse auch kritischen Gegenstimmen eine ausreichende Plattform zur Verfügung stehen, hält das höchste Schweizer Gericht fest.
Ursprünglich auf der Kantonsstrasse
Wie aus dem Urteil hervorgeht, bewilligte das Bündner Tiefbauamt 2020 im Zusammenhang mit dem WEF eine Marschkundgebung entlang der Kantonsstrasse zwischen Landquart und Klosters Platz. Damals hielt es fest, Hauptverkehrs- und Rettungsachse zwischen Landquart und Davos sei die Nationalstrasse. Die «Sperrung» der Kantonsstrasse zwischen Landquart und Klosters zugunsten der Kundgebung sei möglich.
Die Bewilligung verband das Tiefbauamt damals unter anderem mit den Auflagen, es dürfe nur die bergwärts führende Strassenhälfte benützt und das Passieren von Einsatzfahrzeugen und Bussen müsse gewährleistet werden. Im Falle eines Ereignisses auf der Nationalstrasse müsse die Wandergruppe umgeleitet oder angehalten werden, damit die Kantonsstrasse als Rettungsachse zur Verfügung stehe.
Weshalb die Benützung der Kantonsstrasse mit ähnlichen Einschränkungen wie im Jahr 2020 nicht möglich sein sollte, ergebe sich nicht. Weiter schreibt das Bundesgericht, die sinngemässe Behauptung, die Sicherheitskräfte vermöchten eine Versammlung von 300 Personen nicht auf einer Strassenseite zu kanalisieren, sei nicht nachvollziehbar angesichts des erheblichen Sicherheitsaufwands im Zusammenhang mit dem WEF.
Im Zusammenhang mit dem von den Behörden geäusserten Hinweis auf den Verkehr hält das Bundesgericht fest, dass das Interesse des öffentlichen und privaten Verkehrs nicht generell einer über den Gemeingebrauch hinausgehenden Nutzung öffentlichen Grundes entgegenstehe. Ansonsten könne ein solcher gesteigerter Gemeingebrauch im Rahmen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit kaum je bewilligt werden. Dieser ziele eben meist auf publikums- und verkehrsreiche Flächen ab.
Frist verletzt
Die Bündner Behörden haben zudem den Anspruch der Gruppierung auf Behandlung eines Gesuchs innerhalb angemessener Frist verletzt. Diese hatte ihr Gesuch im November 2022 eingereicht. Eine ablehnende Antwort erhielt sie erst am 10. Januar 2023 - also vier Tage vor dem Anlass.
Für die Behörden stand bereits am 16. Dezember 2022 fest, dass sie die beantragte Route nicht bewilligen würden. Dennoch warteten sie mit dem Erlass der anfechtbaren Verfügung, was nicht nachvollziehbar sei. Es hätte noch vor den Feiertagen ein Entscheid erwartet werden dürfen, schrieb das Bundesgericht.
Dies hätte dem Beschwerdeführer die Organisation der Kundgebung erleichtert und seine Rechtsschutzmöglichkeiten verbessert. Er hätte damit doch rechtzeitig vor dem Veranstaltungstermin an die Rechtsmittelinstanzen gelangen können.
(sda)
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