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«Die symbolische Bedeutung ist verheerend» – Bund will Gelder für Fahrende kürzen

Fahrende

«Die symbolische Bedeutung ist verheerend» – Bund will Gelder massiv kürzen

· Online seit 19.07.2023, 12:55 Uhr
Das Bundesamt für Kultur will bis zum Jahr 2026 die Fördergelder für neue Stand- und Durchgangsplätze für Fahrende von 1,7 Millionen auf 1,2 Millionen Franken kürzen. Das stösst den Fahrenden sauer auf. Auch aus dem Kanton Graubünden kommt Widerstand.
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In der Schweiz gibt es zu wenig Stand- und Durchgangsplätze für Fahrende. Laut der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende gab es bis 2021 47 solche Plätze, benötigt würden 80 bis 90. «Bund, Kantone und Gemeinden bleiben in der Pflicht», heisst es.

Doch die Situation wird sich in naher Zukunft kaum ändern. Denn diese Woche hat der Bund die Botschaft zur Förderung der Kultur in den Jahren 2025 bis 2028 vorgestellt. Die einzige Kürzung darin: Die Beiträge für Jenische, Sinti und Roma sollen 7 Prozent weniger bekommen.

Fördergelder, mit denen Kantone und Gemeinden Durchgangs- und Standplätze hätten realisieren können. Thomas Kollegger, Leiter des Amts für Gemeinden in Graubünden, sagt gegenüber «Radio Südostschweiz»: «Wir wollen aktuell einen weiteren Standplatz in der Region des Churer Rheintals schaffen.»

Fördergelder werden nicht abgeholt

Das werde jetzt erschwert. Denn wenn der Kanton und die Gemeinden tiefer in die Tasche greifen müssen, sei auch der Widerstand gegen solche Plätze grösser.

Doch wieso sollen genau diese Gelder vom Bundesamt für Kultur gekürzt werden? Der Bund begründet den Schritt mit der «mangelnden Nachfrage». Die Fördergelder würden nicht abgeholt und könnten eingespart werden.

Dem widerspricht Kollegger: «Das Geld, das in der letzten Periode nicht benutzt wurde, hätte in der nächsten Planungsperiode verwendet werden können.»

Auch Christoph Wiedmer, Co-Geschäftsleiter der Gesellschaft für bedrohte Völker, sieht Handlungsbedarf. Gegenüber SRF sagt er: «Die Kantone machen nicht vorwärts, also kann der Bund dort kürzen, und alle drücken sich darum, dass eigentlich ein grosses Problem mit diesen Halte- und Durchgangs- und Standplätzen nicht gelöst ist.»

Bestehende Plätze müssen auch saniert werden

Die Kosten für solche Plätze sind überschaubar, sie belaufen sich auf weniger als eine Million Franken. Trotzdem wären Kantone und Gemeinden froh, wenn der Bund, der zum Schutz dieser Minderheiten verpflichtet ist, einen möglichst hohen Anteil davon übernehmen würde.

Die Radgenossenschaft der Landstrasse, die Dachorganisation der Schweizer Jenischen und Sinti, schreibt zur Kürzung der Fördergelder: «Die symbolische Bedeutung dieses Rückschritts und die Wirkung auf die Öffentlichkeit ist verheerend.»

«Die kantonalen Behörden und Kommunen werden denken: ‹Jetzt muss man mit den Plätzen sowieso nicht mehr vorwärtsmachen.›» Der Bund müsse stattdessen nicht nur die Schaffung neuer Plätze unterstützen, sondern auch die Sanierung der bestehenden im Auge haben.

Bund vernachlässigt Minderheitenschutzabkommen

Die Radgenossenschaft meint: «Die Nachfrage seitens von Kantonen und Gemeinden ist keine Grösse jenseits der Bundespolitik. Sie lässt sich anregen und fördern. Im Klartext heisst diese Kürzung, dass der Bund nachlassen wird in seinen Bemühungen, zu denen er gemäss Minderheitenschutzabkommen verpflichtet ist.»

Simon Röthlisberger, Geschäftsführer der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende, sagt gegenüber SRF: «Die Budgetkürzungen stehen im Widerspruch zum Handlungsbedarf.»

Für neue Durchgangs- und Standplätze in Graubünden bedeutet die Kürzung aus Bundesbern nicht das Aus. Die Gespräche laufen weiter. Für Kollegger ist aber klar, dass diese Verhandlungen mit den Gemeinden nun schwieriger werden, wie er gegenüber «TV Südostschweiz» sagt. Weiter sagt er: «Es wird oftmals befürchtet, dass die Fahrenden eine Belastung wären, dabei stellt die Minderheit eine kulturelle Bereicherung dar.»

Wie Fahrende in der Schweiz leben, kannst du im Beitrag von TVO nachschauen:

Quelle: TVO

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veröffentlicht: 19. Juli 2023 12:55
aktualisiert: 19. Juli 2023 12:55
Quelle: FM1Today

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