Als erste Schweizer Skidestination bietet St.Moritz ab der kommenden Wintersaison CO2-neutralen Schneesport an. Das versprechen die Oberengadiner Bergbahnen zumindest in einer Medienmitteilung. Skifahren und gleichzeitig auf die Natur achten soll auf Corviglia und Corvatsch keinen Widerspruch mehr darstellen. Klingt eigentlich nach guten Nachrichten für das Klima und die Alpen, oder?
Diese Meinung teilt die Alpen-Initiative ganz und gar nicht. Im Gegenteil, sie fordern von den Oberengadiner Bergbahnen eine Richtigstellung und den Verzicht auf eine solch «plumpe Greenwashing-PR», schreibt die Alpen-Inititative in einer Medienmitteilung als Reaktion auf die Nachricht der Bergbahnen. Viel Eigenlob also und wenig Nutzen für das Klima?
Aus Katar, aber klimaneutral kompensiert
Konkret teilen die Oberengadiner Bergbahnen mit, dass sie nun einen klimaneutralen Kraftstoff anstelle von Diesel für ihre Pistenfahrzeuge, Baumaschinen und andere Dienstfahrzeuge in den Skigebieten einsetzen würden. GTL (Gas-to-Liquids) Fuel Alpine heisse das Wundermittel. Auch in allen Dienstgebäuden, Betrieben und Restaurants würde ab der bevorstehenden Saison mit dem CO2-neutralen Heizöl geheizt werden.
Der Diesel- und Heizölersatz ist ein synthetischer Kraftstoff und basiert auf Erdgas. Er werde sauber verbrannt, sei ungiftig und biologisch abbaubar. «Dadurch werden Russ, Feinstaubpartikel und Stickstoffoxide reduziert, was zu einer sauberen Luft und weniger Emissionen führt», schreiben die Oberengadiner Bergbahnen. «Der Kraftstoff wird zu 100 Prozent klimaneutral kompensiert. Die Verantwortung dazu liegt direkt beim Produzenten Shell, der das GTL direkt von der Produktionsstätte aus Katar liefert», sagt Adrian Jordan, Geschäftsleiter Schneesport- und Bergerlebnisse der Engadin St. Moritz Mountains AG. Ist das Skifahren deswegen CO2-neutral?
«CO2-neutral ist daran gar nichts»
Die Umweltorganisation Alpen-Initiative sagt klar: «Dieser Kraftstoff wird aus fossilem Erdgas hergestellt. Zwar gibt es bei lokalen Emissionen durch Verbrennung Vorteile gegenüber herkömmlichem Dieselkraftstoff oder Heizöl. CO2-neutral ist dabei aber gar nichts», sagt Django Betschart, Geschäftsleiter der Alpen-Initiative, gegenüber FM1Today. Sie stellen die Behauptungen der Bergbahnen als falsch dar. Auch wenn die CO2-Emissionen des Treibstoffs GTL kompensiert werden würden, sei es ein fossiler Kraftstoff, der dem Klima und dem Lebensraum Alpen schaden würde.
«Es ist lobenswert, dass der Treibstoff weniger Schadstoffe ausstösst. Das Skigebiet geht mit dieser Umstellung sicher in eine gute Richtung. Aber man kann sicher keine Medienmitteilung versenden und sagen, dank dem Kraftstoff ist man CO2-neutral. Das ist einfach wissenschaftlich und faktisch falsch», sagt Betschart weiter.
Diese Vermarktung gehe für ihn eindeutig unter Greenwashing. Es brauche dafür eine Strategie, um von den fossilen Brennstoffen auf zum Beispiel Wasserstoff, Wärempumpen oder Solaranlagen umzusteigen. Adrian Jordan sagt dazu: «Wir nehmen diese Aufforderung zur Kenntnis. Es ist jedoch immer einfacher Forderungen zu stellen, statt an funktionierenden Lösungen zu arbeiten. Die Industrie und Technologie ist heute noch nicht soweit, dass ein Kraftstoff wie Wasserstoff für unsere Anwendungen angeboten wird. Die eingesetzte Lösung mit GTL ist heute die beste, verfügbare Variante, um den CO2 Ausstoss weiter zu minimieren.»
CO2-neutral Skifahren ist nicht gleich CO2-neutrales Skigebiet
Klarzustellen gilt, dass sich die Bergbahnen dabei einzig auf das Skifahren und nicht auf die gesamte Skidestination St. Moritz beziehen. «Wir bieten bei uns CO2-neutrales Skifahren und einen CO2-neutralen Transport auf den Seilbahnanlagen an», sagt Jordan. «Wir stellen sicher, dass unser gesamter Strom seit 2017 Wasserkraft CH also CO2-neutral ist und nun auch der Kraftstoff für die Pistenfahrzeuge CO2-neutral ist», ergänzt Jordan.
Wie der Fussabdruck in St. Moritz berechnet wird und aussieht, teilt die Engadin St. Moritz Mountains AG nicht mit. So viel sagt Jordan: «Die Anreise ist sehr individuell, dennoch haben unsere Gäste bereits seit Jahren die Möglichkeit, klimaneutral mit dem ÖV anzureisen, da alle Zubringerbahnen mit dem ÖV erschlossen sind. Der Ortsbus ist mit dem Skipass kostenlos für den Gast nutzbar.» Ganz ohne Emissionen geht es also auch in St. Moritz nicht.