Grossansturm auf ein Salatfeld in Güttingen - die Salatköpfe des Landwirtes Michael Krähenbühl haben in der Sommerhitzte gelitten, für den Grosshandel taugen sie nicht mehr. Krähenbühl verschenkt seine Salatköpfe, seinem Aufruf folgen die Leute in Scharen. Das war im Juli.
Kommenden Samstag dürfte sich ein ähnliches Szenario auf dem Hof des Weinfelder Landwirten Manuel Strupler abspielen. Strupler verschenkt seine Birnen. Diese sind von Wanzen befallen. Die Folge: Die Birnen sehen nicht mehr so schön aus. Essbar sind sie aber noch. Weil die Grossverteiler seine Früchte nicht mehr wollen, verschenkt der Bauer sie.
Vernichten oder verschenken?
Dies sind nur zwei Beispiele von mehren Fällen des vergangenen halben Jahres, in denen Ostschweizer Bauern ihr Gemüse oder ihre Früchte gratis oder unter dem Marktpreis anbieten. Wetter oder Insekten setzen den Ernten zu, was bleibt ist die Frage: Vernichten oder verschenken?
Das sich viele Bauern für Zweites entscheiden begrüsst, Andreas Widmer, Geschäftsführer des St.Galler Bauernverbandes grundsätzlich. «Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag um der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken.» Über ein Drittel des in der Schweiz produzierten Gemüses werde ungenutzt weggeworfen.
«Wer etwas geschenkt bekommt, kauft nichts mehr»
Aber: Auf den Markt habe das verschenkte Gemüse eine negative Auswirkung. «Verschenkt ein Landwirt einen Grossteil seiner Ware und findet viele Abnehmer, so kaufen diese Leute das gleiche Produkt ja anschliessend nicht mehr.» Dies könnten andere Landwirte schmerzlichst spüren.
Ein Problem, das man auch bei der Vereinigung der Gemüseproduzenten der Kantone Thurgau und Schaffhausen kennt. Es brauche deshalb eine Lockerung der Vorschriften. So, dass von Hitze oder anderen Wettereinflüssen beschädigtes Gemüse zu marktüblichen Preisen verkauft werden kann.
Landwirte haben Schwierigkeiten Waren zu verkaufen
Vorschriften, Verbote bestimmter Pflanzenschutzmittel und die hohen Ansprüche von Handel und Konsum - für Landwirte werde es immer schwieriger ihre Ware abzusetzen, sagt Markus Hausammann, Präsident des Thurgauer Bauernverbandes.
Auch er sagt, dass das Verschenken von Gemüse oder Früchten, sich bei vermehrtem Auftreten negativ auf den Markt auswirken könne, allerdings nur kurzfristig. «Lebensmittel sind eine kurzlebige Geschichte. Langfristig legen Konsumenten ihre Einkaufsplanung ja nicht darauf aus, wo etwas gratis erhältlich ist, sondern verlassen sich auf üppig gefüllte Verkaufsregale»
Grosshändler springen auf Anti-Foodwaste-Zug auf
Wie im Juli auf dem Feld des Güttinger Bauern zu sehen war, findet das Gratis-Gemüse grossen Anklang. Zahlreich fanden sich die Leute zum Salate-Pflücken ein. Man wolle nicht zusehen, wie das Gemüse weggeworfen wird, sagten damals viele der Abnehmer.
Ein Trend, auf den seit einigen Jahren auch Grosshändler aufspringen. So bietet Coop seit 2013 bei Gemüse und Früchte die Nachhaltigkeitsmarke «Ünique» an, also Rüebli, Gurken, Äpfel und Co. die nicht der Norm entsprechen.
«Einzigartige» Rüebli und Äpfel bleiben Nebenprodukte
Mit Erfolg, wie Mediensprecherin Marilena Baiatu sagt. «Wir stellen von Jahr zu Jahr eine steigende Nachfrage nach Ünique-Produkten fest. Im letzten Jahr haben wir über 870'000 Kilo verkauft.»
Im Vergleich zu herkömmlichem Gemüse sei diese Verkaufsmenge aber gering. Nach wie vor greift der Grossteil der Konsumenten zu Gemüse und Früchten die perfekt aussehen. Die Grosshändler stellen dementsprechende Qualitätsanforderungen an die Landwirte.
«Es braucht ein noch grösseres Umdenken»
Wie der Güttinger Bauer Michael Krähenbühl sagt, brauche es ein noch grösseres Umdenken der Konsumenten und Grosshändler – wegen der Lebensmittelverschwendung, wegen des Marktes, schliesslich aber auch, weil er seinen Salat lieber verkaufen als verschenken möchte.