Ostschweiz

Junglenker in der Ostschweiz fahren lieber Automatik als «handgeschaltet»

Kuppeln war gestern

Die Jungen wollen es bequem und fahren Automat

31.10.2022, 09:06 Uhr
· Online seit 31.10.2022, 05:52 Uhr
Bequemlichkeit und Politik werden dem Schalthebel zum Verhängnis. Vor allem die Jungen fahren vermehrt nur noch Autos mit Automatik. Ob die Spezies «handgeschalten» bald der Vergangenheit angehört und wie es versicherungstechnisch aussieht, erfährst du hier.
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«Der Trend ist auch ganz klar, geschaltete Fahrzeuge werden über kurz oder lang schlichtweg verschwinden. Bereits jetzt fahren in sehr vielen Ländern Menschen nur noch Automat», sagt Willi Rosbach, Fahrlehrer bei Top-L in St.Gallen. Eine Entwicklung, die der St.Galler begrüsst. Durch die Verbreitung vom Automatikgetriebe hätten noch mehr Personen den Zugang zum Auto gefunden. «Für manche war das Fahren mit Schaltung zu kompliziert, andere wiederum hatten Angst, dass die übrigen Verkehrsteilnehmer sie auslachen würden, falls das Fahrzeug abgewürgt wird», so Rosbach.

Automatik vertreibt Kupplung?

Das Fahren mit einem Automaten ist nicht nur bequemer, sondern macht auch die Autoprüfung billiger. «Bei der Ausbildung mit dem Automaten entfallen natürlich einige Stunden, da wir direkt auf die Strasse können», erklärt der Fahrlehrer. Nach seiner Erfahrungen würden sich etwa 90 von 100 Fahrschülern für eine Prüfung mit dem Automaten entscheiden. «Etwa vier bis sechs Schüler machen zusätzlich einige Fahrstunden mit dem Schalter», ergänzt Rosbach.

Herausforderung für die Fahrlehrer

Für das eine oder andere entscheiden müssen sich derweil nicht nur die Fahrschüler, sondern auch die Fahrlehrer. Für viele wäre es zu teuer und zu aufwendig, zwei Autos zu haben und sich somit ganz den Schülerinnen und Schüler anzupassen. «Man müsste ja immer wieder das Auto zwischen den Lektionen wechseln», sagt Rosbach, «Wäre die Nachfrage höher, wäre das machbar. Jedoch bleiben die Anfragen fürs Schaltfahrzeug aus.» Bei anderen Fahrschulen ist die Situation nicht so eindeutig. «Es gibt immer noch Fahrlehrer auf dem St.Galler Markt, die beides oder auch nur geschalten anbieten», bestätigt Rosbach.

Stefan Walder, auch Fahrlehrer, erzählt, dass 80 bis 90 Prozent der Fahrschülerinnen und Fahrschüler das Schalten zwar noch lernen möchten, danach aber meist mit dem Automaten die Prüfung antreten. Er selbst habe auch viele Fahrschüler, die einen handwerklichen Beruf ausüben. «Wenn sie handgeschalten lernen, dann können sie später auch mit dem Handwerker-Bus fahren». Daher sei die Nachfrage nach Handschaltung immer noch da.

Änderung seit 2019

Vor allem seit der Änderung der Führerausweisvorschriften 2019 (ASTRA) sei ein Wechsel auf Automatikgetriebe spürbar. Seither sinke der Ansporn weiter, die Fahrprüfung mit manuellem Schaltgetriebe zu absolvieren.

Zuspruch für das manuelle Schalten hingegen findet sich auf dem Occasionsmarkt. Die meisten Gebrauchtwagen sind nämlich mit einer Kupplung ausgerüstet. Wer das Kuppeln und Schalten richtig beherrschen will, der brauche durchschnittlich etwa zehn Fahrstunden mehr, so Stefan Walder.

Versicherungen schauen genau hin

Versicherungen schauen allerdings genau hin: Wer beispielsweise nie handgeschalten gelernt hat, nach der Fahrprüfung jedoch ein Fahrzeug mit manuellem Getriebe bedient, dem drohe bei einem möglichen Unfall ein «Nichtbeherrschen des Fahrzeuges». Dementsprechend werde die Versicherung weniger bzw. keine Anteile übernehmen, erklärt Stefan Walder.

Unfälle wegen Ablenkung 

Gemäss Jahresbericht vom Bundesamt für Strassen (Astra) kam es 2021 schweizweit wegen Unaufmerksamkeit und Ablenkung zu 9'154 Unfällen. Bei 3034 Unfällen kam es zu einem Personenschaden.
(Korrektur: In der vorigen Version stand, dass es 2021 zu 3034 Todesopfern gekommen ist. Dabei haben wir uns auf die Aufschlüsselung des TCS gestützt. Diese ist allerdings falsch.)

Ausserdem zeigt eine Umfrage der Allianz Versicherung, dass 40 Prozent der Lenker und Lenkerinnen ihr Handy am Steuer benutzen. Eine erschreckende Zahl, vor allem wenn man beachtet, dass 76 Prozent der befragten Personen angegeben haben, sich durch die Technik abgelenkt zu fühlen.

Motoren ohne fossile Brennstoffe

Auch die Thematik des Klimawandels schiebt das manuelle Schalten in den Hintergrund. «Automatikgetriebe Fahrzeuge bieten wesentliche Vorteile in Bezug auf Sicherheit und Umwelt: kein Verschalten und kein unnötiges Fahren im hohen Gang», bestätigt der Fahrlehrer Willi Rosbach.

Da Hybride und Elektroautos die Zukunft verkörpern, will auch die Politik in deren Richtung gehen. So wurde vom Europäischen Parlament beschlossen, dass ab 2035 neu zugelassene Fahrzeuge keine Verbrennungsmotoren mehr haben dürfen. Da die Schweiz kein Mitglied der EU ist, gilt dieses Verbot für uns zwar nicht zwangsläufig, doch auch die Schweiz tendiert zur Abschaffung von fossilen Brennstoffen. So wollen die Grünen beispielsweise bis 2025 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren verbieten. Spätestens dann wird die Spezies «handgeschalten» dann wohl endgültig ausgestorben sein.

(hni/mau)

veröffentlicht: 31. Oktober 2022 05:52
aktualisiert: 31. Oktober 2022 09:06
Quelle: FM1Today

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