Quelle: TVO
Mit dem Kopf und der rechten Körperhälfte prallte der damals Neunjährige gemäss Anklageschrift auf den Beckenrand. Weil sich der Bub (damals 9-jährig) beim Schubser am Ende des seitlichen Geländers auf der Absprungplattform festhielt, drehte er sich um die Brüstung und fiel nicht nach vorne ins Wasser, sondern stürzte seitlich.
Dabei verletzte er sich lebensbedrohlich und wurde im Spital in ein künstliches Koma versetzt. Er erlitt unter anderem ein schweres Schädelhirntrauma mit mehreren Schädelfrakturen und Hirnblutungen. In der Schule ist es ihm nicht mehr möglich, die Regelklasse zu besuchen.
Welcher Jugendliche den Buben vor vier Jahren vom Sprungturm im St.Galler Freibad Lerchenfeld stiess, konnten die Behörden nicht ermitteln. Ein entsprechendes Strafverfahren wurde eingestellt.
Geländer reichte nicht bis zur Vorderkante
Auf der Anklagebank am Kreisgericht St.Gallen sassen am Dienstag zwei Mitarbeiter der Stadtverwaltung in leitender Funktion sowie drei Bademeister. Den Kadermitgliedern warf die Staatsanwaltschaft vor, gegen einen angeblichen Sicherheitsmangel auf dem Sprungturm keine baulichen Massnahmen eingeleitet zu haben.
Die Anklageschrift hielt fest, dass das seitliche Geländer auf der Sprungplattform nicht bis zur Vorderkante der Sprungplattform reiche, sondern «lediglich 765 Millimeter» über den Beckenrand hinausrage.
Auch habe ein geeignetes Sicherheitsmanagement für die Badi und eine Hausordnung mit Verhaltensregeln gefehlt, etwa einem expliziten Verbot, Personen vom Sprungturm zu stossen.
Die angeklagten Mitarbeiter des Freibads mussten sich vor Gericht verantworten, weil sie es unterlassen hätten, sich während der Badeaufsicht auf der Sprungplattform oder in der Nähe zu positionieren beziehungsweise eine entsprechende Beaufsichtigung anzuweisen.
Entschädigung für Buben gefordert
Die Staatsanwaltschaft verlangte für alle fünf Personen eine Verurteilung wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung und forderte bedingte Geldstrafen. Sie verzichtete darauf, die Anklage vor Gericht zu vertreten.
Dort äusserte sich hingegen der Anwalt der Opferfamilie. «Eine Unsumme an Sicherheitsvorschriften waren nicht erfüllt.» Er forderte nebst einer Verurteilung der Beschuldigten eine Entschädigung für den Buben. Es gehe um dessen finanzielle Zukunft. Ob er jemals eine Berufslehre machen könne oder sein Leben lang auf Unterstützung angewiesen sei, bleibe ungewiss.
Straftat statt Unfall
Die Anwälte der städtischen Angestellten forderten Freisprüche und unterstrichen vor Gericht, dass nicht ein Unfall zum Sturz des Buben vom Sprungturm geführt habe, sondern eine Straftat. Und für eine solche Straftat brauche es kein Verbotsschild.
Von den Beschuldigten - sie alle verweigerten die Aussage vor Gericht - seien sämtliche Vorschriften eingehalten worden. Auch entspreche der Sprungturm inklusive Geländer den baulichen und sicherheitsrelevanten Normen. Und gebe es keine Pflicht, einen Sprungturm zu sperren, wenn dieser nicht durch den Bademeister beaufsichtigt sei.
Es sei nachvollziehbar, dass der Privatkläger und seine Familie für dieses Leid jemanden verurteilt haben wollten. Auf der Anklagebank sässen aber die falschen Personen, so einer der fünf Anwälte mit Verweis auf den unbekannten Jugendlichen, welcher den Buben auf dem Sprungturm in den Rücken stiess.
Das Gericht sprach die fünf Beschuldigten schliesslich vollumfänglich frei. Ein solcher Vorfall, bei dem ein geschubstes Kind so weit hinter das Geländer gerate und auf den Beckenrand stürze, statt ins Wasser zu fallen, sei nicht vorhersehbar gewesen, erklärte die Einzelrichterin während der mündlichen Urteilsbegründung.
Die Verletzungen des Neunjährigen seien aufgrund des falschen Verhaltens eines Jugendlichen und nicht durch das Fehlverhalten der Beschuldigten erfolgt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.
(sda/red.)