«Aufgrund der aktuellen Nachfrage und des Preiszerfalls bei den Recyclingwerken sehen wir uns gezwungen, [...] eine Gebühr für die Übernahme von Kartonabfällen einzuführen», steht auf einem Schild bei der Tübacher Recyclingfirma Zingg.
Bis jetzt konnte man seine Kartonabfälle dort – und auch bei den meisten anderen Entsorgungsstellen – kostenfrei in die Mulde werfen. Neu kostet das bei Zingg im Minimum fünf Franken.
Fünf Franken für ein wenig Karton, das sieht auf den ersten Blick teuer aus. Stefan Müller, Mitglied der Geschäftsleitung bei Zingg, relativiert jedoch: «Bis siebzig Kilo kostet die Entsorgung fünf Franken. Wir wollen die Leute sensibilisieren, man soll nicht wegen einer einzelnen Kartonschachtel zu uns fahren.»
Denn damit wäre – wenn auch in guter Absicht – der positive Effekt des Recyclings wieder zunichte. Die neue Gebühr ist allerdings keine Willkür, sondern hat einen einfachen Grund: Die Papier- und Kartonwerke verlangen eine Gebühr für Karton. Um die Kosten zu decken, müssen die Recycler Gebühren erheben.
Und die Zingg AG ist bei weitem nicht allein. «Die Situation ist so schlimm geworden, dass wir keine andere Wahl mehr haben», sagt auch Jakob Thür, Geschäftsleiter der Thür Transport AG aus Altstätten, «Karton ist nichts mehr wert, es gibt einfach zu viel davon».
Von Chinesen und Online-Handel
Da auf dem Markt ein Überangebot herrscht, bekommen die Recycler nur noch einen Bruchteil für ihre Waren. «Früher waren es noch sechzig oder siebzig Franken pro Tonne. Heute sind es noch fünfzehn. Das Pressen und die Abholung kosten aber mehr», sagt Thür.
Die Gründe für den Preiszerfall sind vielschichtig. Zum einen gibt es den Importstopp aus Asien. «China kauft keinen Kartonabfall mehr und recycelt jetzt selbst. Für uns bleiben nur noch europäische Abnehmer», sagt Stefan Müller.
In Europa ist das Angebot grösser als die Nachfrage. Dazu kommt, dass immer mehr Karton über den Online-Handel zu uns geliefert wird, beispielsweise über Plattformen wie Wish und AliExpress. Die Post schätzt, dass nächstes Jahr vierzig Millionen Pakete aus Fernost in die Schweiz geliefert werden. Das ist alles Karton, der «unserem» Kreislauf von aussen zugeführt wird.
Es ist keine Besserung in Sicht
Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, die Abfallsammlung der Gemeinde zu nutzen. Dafür zahlen wir Steuern. Die findet allerdings nur alle paar Wochen statt und auch die Gemeinden spüren den Preiszerfall.
«Es ist gut möglich, dass auch die Gemeinden die Gebühren für die periodische Abfallsammlung erhöhen werden müssen», sagt Alex Bukowiecki, Geschäftsführer des Schweizerischen Verbands für Kommunale Infrastruktur.
Von einer Besserung der Situation im Rohstoffgeschäft geht keiner der Befragten aus. Neben Karton seien die meisten gratis entgegengenommen Recyclingstoffe unter Druck. «Damit verdienen wir kein Geld. Wir machen das einfach für die Bevölkerung», sagt Jakob Thür.
Dass die kostenfreie Entgegennahme von Abfall schon fast als selbstverständlich gilt, zeigen auch die Überlegungen in Tübach: «Wir haben uns fast nicht getraut, die Gebühr einzuführen. Wir können aber nichts subventionieren, wenn wir nur draufzahlen.»
Um die Kunden zu informieren, sei während der ersten Wochen extra ein Mitarbeiter abgestellt worden, um Beschwerden beim Entsorgen entgegen zu nehmen und Fragen zu beantworten. Insgesamt sei das Verständnis der Bevölkerung da. Vielleicht ja deshalb, weil den Leuten die Selbstverantwortung bewusst ist.
(thc)