Ostschweiz

Seehus Quinten serviert Fisch aus Estland – Zürcher Gast ist enttäuscht

Fischknusperli

Zürcher isst am Walensee Zmittag und bekommt Fisch aus Estland

16.08.2024, 11:27 Uhr
· Online seit 16.08.2024, 04:45 Uhr
Ein Zürcher Gast bestellte im Seehus Quinten am Walensee Fischknusperli. Dass der Fisch nicht aus dem See vor der Tür, sondern aus Estland stammte, enttäuschte ihn. Ein komplett lokales Fischangebot sei unmöglich, sagt die Wirtin.
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Vor der Seeterrasse liegt der Walensee. Passend dazu stehen im Seehus Quinten Fischknusperli, Egli- und Zanderfilet auf der Menukarte. Beim Zmittag eines Zürchers, der kürzlich am Walensee einen Ausflug machte, fiel die Wahl auf Fischknusperli. Als er sich beim Servicepersonal nach der Herkunft des Fisches erkundigte, staunte er. «Ich erfuhr, dass der Fisch aus Estland stammt», sagt der 33-Jährige.

Dies enttäuschte den Gast. «Bei einem Restaurant mit der Plakette ‹Fischküche mit Auszeichnung› hätte ich erwartet, dass hauptsächlich Schweizer Fisch – idealerweise aus dem Walensee – auf den Teller kommt», sagt er. Es sei zwar verständlich, dass der Fang nicht die gesamte Nachfrage abdecken könne. «Dennoch sollte transparent gemacht werden, welcher ausländische Fisch beim Label noch zugelassen ist.»

Schliesslich könnte auch russischer Fisch auf dem Teller landen, sagt der Besucher. Tatsächlich importierten Schweizer Händler 2023 trotz der Sanktionen gegen den russischen Angriffskrieg über 600 Tonnen russischen Fisch, wie «CH Media» berichtete.

100 Tonnen Fisch pro Saison

Auf der Speisekarte informiert das Seehus Quinten, die Fische von den Lieferanten Börig und Brandl, Bianchi und Fischerei Frosch zu beziehen. «Da leider die Gewässer in der Schweiz zu sauber sind und die Erträge jedes Jahr sinken, sind wir gezwungen, Fisch aus den baltischen Staaten zu beziehen», steht weiter. Falls sie Fisch aus dem Walensee hätten, würden sie die Gäste gerne darauf hinweisen.

Der Zürcher ist nicht der einzige Gast, der von lokalem Fisch auf dem Teller ausging. «Viele Gäste erwarten, dass wir Fische aus dem See servieren», schrieben die Wirte das Seehus Quinten in einem Instagram-Post und erklärten, warum sie dies nicht gewährleisten können. Pro Saison verarbeiteten sie rund zehn Tonnen Fisch und der Walensee gebe das ganze Jahr über knapp vier Tonnen her, so der Post. «Wir müssen unsere Lieferkette gewährleisten können und das wäre mit dem Angebot aus dem See nicht möglich.»

Nur noch ein Berufsfischer

Um den Fischfang ist es nicht gut bestellt. Der aktuelle Konkordatsbericht der Fischereikommission für den Zürichsee, Linthkanal und Walensee hält fest, dass die Fänge am Walensee so tief wie noch nie in den letzten 20 Jahren sind. Grund dafür ist vor allem, dass nur noch ein Berufsfischer regelmässig seine Netze ausbringt.

Am stärksten ist der Rückgang bei den Felchen und Egli mit je 30 Prozent. Bei den Forellen und Hechten fielen 2023 die Erträge 15 Prozente respektive 21 Prozent geringer aus als im Vorjahr. Damit lag der Gesamtfang 2023 rund 4,7 Tonnen unter dem zehnjährigen Mittel, was einem Minus von über 50 Prozent entspricht.

«Gäste sind nicht bereit, 50 Franken für ein Fischgericht zu bezahlen»

Geschäftsführerin Sarah Tschirky-Gassner sagt zu ZüriToday, dass sie es «immer wieder spannend» finde, wie bedacht die Gäste darauf seien, lokalen Fisch auf der Karte zu haben. «Als könnten sie einen Geschmacksunterschied zwischen Fisch aus dem Walensee und Fisch aus Estland feststellen.» Sie erkläre den Gästen jeweils höflich die Situation.

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«Wir wissen von Betrieben, die mit Schweizer Fisch werben, aber fix fertige Produkte von Lieferanten anbieten», sagt Tschirky-Gassner. Das Seehus Quinten stehe dazu, dass ein komplett lokales Fischangebot unmöglich sei. Bedenke man, dass sie am Walensee bei Weitem nicht das einzige Fischrestaurant seien, stehe eine Karte mit lokalem Fisch erst recht ausser Frage.

«Extrem selten» kann das Seehus Fische aus dem Walensee anbieten, wie Tschirky-Gassner sagt. «Es kann sein, dass der Fischer ein paar Felchen bringt, die wir dann in einer gut gebuchten Woche servieren können.» Doch die Mehrheit der Gäste sei nicht bereit, 45 bis 50 Franken für ein Fischgericht zu bezahlen. «Fischknusperli mit Tartarsauce und Salzkartoffeln für 32,50 Franken sind dagegen ein angemessener Preis.» Komme das Gericht für Gäste nicht infrage, weil sie lokalen Fisch auf dem Teller haben wollten, seien sie im Seehus mit anderen Speisen gut bedient. «Wir drücken niemandem Fisch aufs Auge.»

«Goldener Fisch» ohne Schweizer Fisch? 

Seit 1992 ehrt die Tafelgesellschaft zum Goldenen Fisch das Restaurant als «Fischküche mit Auszeichnung». Zu den Kriterien für das Prädikat zählen Gerichte, die mit Fischen aus schweizerischer Herkunft zubereitet werden. «Diese können durch ein Fischangebot ausländischer Herkunft ergänzt werden.» Für Sarah Tschirky-Gassner, die den Betrieb mit ihrem Bruder in zweiter Generation führt, hat das Seehus Quinten dieses Prädikat verdient. «Wir waren schon immer ein Fischrestaurant. Zu Zeiten unserer Eltern war es noch möglich, lokalen Fisch anzubieten.» Zudem panierten sie ihre Fische mit einem einzigartigen Bierteig.

Hansjürg Gugger, Tafelmeister der Tafelgesellschaft zum Goldenen Fisch, bestätigt, dass nur wenige Fischrestaurants ausschliesslich Schweizer Fisch anbieten könnten. «Berufsfischer können bei einem Grossanlass mit 60 und mehr Personen dem Gastronomen nicht versprechen, genug Egli und Zander in der benötigten Menge liefern zu können.»

Es sei weder die Aufgabe noch die Zielsetzung der Tafelgesellschaft zum Goldenen Fisch, die Herkunftsländer des Fisches, der in ihren Betrieben serviert werde, zu überprüfen oder vorzuschreiben, sagt Gugger. Wichtig sei, dass die Betriebe die Herkunft ihrer Fische offen kommunizierten. 

veröffentlicht: 16. August 2024 04:45
aktualisiert: 16. August 2024 11:27
Quelle: ZüriToday

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