Quelle: FM1Today
Man ist froh, dass man gefrühstückt hat, wenn man morgens die grosse Produktionshalle der Champignon-Fabrik Kuhn AG in Herisau betritt. Nicht weil es besonders unangenehm riecht, sondern einfach stark nach Champignons. Ziemlich stark. «Man gewöhnt sich daran», sagt Christoph Widmer, Inhaber der berühmtesten und einzigen grossen Champignon-Fabrik in der Ostschweiz. Der 58-Jährige empfängt uns an der Türe, gekleidet in einen Pullover, um den sich Hipster vielleicht streiten würden. Seit über 20 Jahren führt er das Familienunternehmen, das sein Grossvater nach dem zweiten Weltkrieg gegründet hat. Widmer, der studierte Naturwissenschaftler, führt durch den Betrieb, wo die Champignons gezüchtet werden.
So werden Champignons gezüchtet
Pilz-Saison ist eigentlich im Herbst. In der Champignons-Fabrik in Herisau, unweit des berühmtesten Blitzers im Appenzellerland an der Alpsteinstrasse, wird jedoch das ganze Jahr gezüchtet und geernet. Das gelingt, indem in den sechs Produktionshallen der Wintereinbruch simuliert wird. In den Champignons-Beeten wird zuerst das Substrat ausgelegt, das aus Pferdemist, Stroh und Pilzkulturen besteht. Dann wird dieses mit Deckerde überdeckt, in der Halle wird dann der Spätherbst simuliert. Hohe Luftfeuchtigkeit, warme Temperaturen, viel CO2 – Waldklima.
«Wenn die Pilzkulturen genug gedeiht sind, lassen wir den Winter einbrechen», sagt Widmer. Nach vier bis fünf Tagen sinkt in der Produktionshalle die Temperatur, der CO2-Gehalt in der Luft und die Luftfeuchtigkeit. Das ist das Zeichen für die Pilze: Fruchtkulturen bilden, ab an die Oberfläche und Sporen bilden. So kann der Winter überlebt werden. Und dann schiessen die winzigen Champignons eben wie Pilze aus dem Boden. Die weissen und die braunen Pilze getrennt, denn die mögen sich gar nicht. «Sie würden sich gegenseitig zerstören, würden die am gleichen Ort wachsen», sagt Widmer.
Die sechs Hallen sind alle durch eine grosse Schiebetüre zugänglich, in allen ist gerade eine andere «Jahreszeit». Mal Spätherbst, mal Wintereinbruch. So, dass immer genügend Champignons vorhanden sind. Pro Woche werden – zusammengezählt mit dem zweiten Standort im Aargau – rund 35 Tonnen geerntet. An Weihnachten und vor Ostern, da muss der Betrieb mit rund 120 Mitarbeitern mehr produzieren – offenbar mögen die Schweizerinnen und Schweizer die weissen und braunen Pilze an Festtagen besonders.
Die Ernte
In einer Halle wird gerade geerntet. Sieben Frauen hieven Kisten und Champignons-Verpackungen in die Champignon-Höhle. Mit geübten Griffen drehen sie die Pilze aus dem weichen Boden, schneiden den unteren Teil ab und legen sie direkt in die Körbchen, damit die Pilze möglichst wenig angefasst werden. Schälchen mit dem Migros- oder dem Coop-Logo. «Wir produzieren hauptsächlich für die beiden Grossverteiler», so Widmer. Später werden die Schalen mit Folie ummantelt und an die Detailhändler geliefert.
Der beliebteste Pilz der Schweiz
Kein Pilz ist in der Schweiz so beliebt wie der Champignon. 94 Prozent aller Schweizerinnen und Schweizer geben an, dass der Champignon am häufigsten in ihrem Einkaufswagen landet. «Er ist ein Traditions-Lebensmittel», sagt Widmer. Ob der Trend zu vegetarischer und veganer Ernährung die Nachfrage gross gesteigert habe, zumal viele Ersatzprodukte auf Pilz basieren? Darauf zuckt Widmer nur mit den Schultern, da habe sich nicht viel geändert. «Er ist ja vielseitig einsetzbar, man kann ihn auch zu Fleisch essen.»