Ostschweiz
St. Gallen

«Der Anblick tut mir weh»

«Der Anblick tut mir weh»

07.08.2018, 20:05 Uhr
· Online seit 07.08.2018, 18:32 Uhr
Die Hitze und die Trockenheit haben das FM1-Land fest im Griff. Im Wald liegt Laub auf dem dürren Boden und die Fische verenden in den Bächen und Flüssen. Der Kanton St.Gallen zieht bislang eine traurige Bilanz.
Sandro Zulian
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«Es ist wie im Herbst. Die Bäume haben wegen der Trockenheit teils schon viele ihrer Blätter abgeworfen, damit sie weniger Wasser brauchen», sagt Maurizio Veneziani, Forstingenieur beim Kanton St.Gallen. Vor allem die Buche treffe es heuer hart. «Der Klimawandel hat bereits vor 30 Jahren begonnen», betont Veneziani. Bis 2070 steigen die Temperaturen um durchschnittlich drei Grad. Heute gebe es die Buche bis 900 Meter über Meer, bis in 50 Jahren wandere sie bis auf 1400 Meter.

«Wir müssen den Wald für den Klimawandel fit machen», erklärt der Forstwart. Mit einer grösseren Artenvielfalt könne der Schweizer Wald auf die künftigen Klimabedingungen ausgerichtet werden. «Es braucht mehr Bäume, welche die Wärme und Trockenheit relativ gut vertragen.»

Der Kanton St.Gallen lanciert ein Pilotprojekt mit 50 Testpflanzungen. Ausserdem sollen die Revierförster mit Kursen für die Erhöhung der Arten- und Strukturvielfalt geschult werden. Eine genetische Vielfalt hätte auch positive Folgen auf die Lebewesen im Wald, sagt Veneziani.

Kurzes Gewitter bringt fast gar nichts

Auch wenn es in den letzten Tagen vereinzelt ziemlich heftig geregnet und gestürmt hat, so ist diese Wassermenge nur einer der berühmten Tropfen auf den heissen Stein. «Wenn der Boden so trocken ist, kann er in so kurzer Zeit gar nichts aufnehmen. Das Wasser fliesst oberflächlich ab», sagt der stellvertretende St.Galler Kantonsoberförster, Jörg Hässig.

Kommt es zu einem kurzen aber starken Niederschlag, ist wiederum die Gefahr von Murgängen umso grösser. «Das geht dann ein paar Stunden so, aber dann ist das Wasser wieder weg.» Der Wald könne dem Nass nur wenig abgewinnen, weil grosse Teile des Regens in den Baumkronen hängenbleiben und später wieder verdunsten. «Die Wurzeln sehen von all dem Wasser wenig», gibt Hässig zu bedenken.

Angst vor grossen Waldbränden

Die beiden Forstingenieure zeichnen ein düsteres Bild: «Voraussichtlich bis zum 20. August bleibt die Wetterlage so, wie sie ist», sagt Hässig. Heisst im Klartext: Wenig Regen, viel Sonne und heisse Temperaturen für die nächsten zwei Wochen.

Die Waldfläche im Kanton St.Gallen umfasst rund 8000 Hektaren. 60 Prozent des Waldes ist Schutzwald. Die Trockenheit und die steigenden Temperaturen lassen die Waldbrandgefahr steigen. Ohne es heraufbeschwören zu wollen, zeichnet Hässig ein Worst-Case-Szenario: «Brennt ein Schutzwald, der die Bevölkerung vor Steinschlägen oder Lawinen schützt, nieder, so müssen innert kürzester Frist Massnahmen ergriffen werden, um den Schutz wiederherzustellen.»

Solche Szenarien, vor allem wenn sie sich mehren sollten, bereiten den Forstingenieuren Kopfschmerzen. Nicht nur ökologisch, auch finanziell sind solche Brände verheerend, sagt Hässig: «Helikopter, die löschen, die Überwachung der Glutnester, Sofortmassnahmen nach dem Brand und die Wiederherstellung des Ganzen, das kostet schnell Millionen.»

Ausserdem hat er das Gefühl, dass es in diesem Sommer öfter brennt als früher: «Es ist zwar statistisch nicht ausgewertet, aber wir haben in den letzten Jahren jeweils zwei bis drei Brände mehr als früher.» In den letzten 40 Jahren gab es im Kanton St.Gallen pro Jahr rund zwei bis drei Waldbrände. In diesem Frühling waren es bereits vier, sagt der Stellvertreter des Kantonsoberförsters.

 

Drei weitere ereigneten sich am Montag. Im Menzlenwald bei St.Gallen wurden durch ein Feuer 100 Quadratmeter Wald zerstört. Blitzeinschläge haben zudem zwei Brände in Bäumen ausgelöst.

Die Fische haben viel zu warm und sterben

Nicht nur der Wald leidet unter den hohen Temperaturen und dem fehlenden Regen, auch die Fische in den Bächen und Flüssen stehen Qualen aus. Einer, der das hautnah miterleben muss, ist Fischfreund und Leiter des Amtes für Natur, Jagd und Fischerei, Christoph Birrer. «Es geht mir natürlich nicht sonderlich gut. Wenn ich Fische sehe, die apathisch oder sogar tot im Wasser treiben, tut mir das weh. Fische haben im Gegensatz zu uns Menschen keine Beine. Auf der Suche nach kälteren und schattigeren Gewässern können sie meistens Hindernisse nicht überwinden.»

Die herrschenden Wassertemperaturen sind sehr hoch. Gewisse Bäche sind bereits ausgetrocknet, Fische mussten teilweise aus den zu warmen und seichten Gewässern in Sicherheit gebracht werden.

Doch bei aller Verheerung in diesen heissen Sommertagen, gibt es noch immer Lichtblicke, sagt Birrer mit einem Lächeln: «Am Sonntagabend habe ich auf meiner Mountainbike-Tour einen kleinen Bach entdeckt, in dem grosse Bachforellen ‹gemüggelt› haben. Das heisst, sie haben Mücken von der Wasseroberfläche weggeschnappt und gegessen. An jedem lebendigen Fisch habe ich grosse Freude.»

veröffentlicht: 7. August 2018 18:32
aktualisiert: 7. August 2018 20:05
Quelle: saz/SDA

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