Anfangs Juni ging in der Region um Eschenbach heftiger Regen nieder. Die Feuerwehr musste Keller auspumpen. Verschont blieb einmal mehr die kleine Talsenke, in der sich der Dauercampingplatz Atzmännig mit rund 190 Plätzen befindet.
Er gehört zur Sport- und Freizeitanlage Atzmännig zwischen dem Rickenpass, dem Linthgebiet und dem Zürcher Oberland, nahe an der Zürcher Kantonsgrenze. Bekannt wurde der Atzmännig durch die 1977 eröffnete erste Sommerrodelbahn der Schweiz.
Gemäss einer Recherche des «Tages-Anzeigers» von 2019 liegen mehr als 100 der rund 440 Schweizer Zeltplätze, darunter auch der Atzmännig, im Hochwassergebiet der höchsten Risikostufe. Da die Standortgemeinden für die Bewilligung von Campingplätzen zuständig seien, würden die Regeln unterschiedlich strikt angewandt, schrieb die Zeitung.
Bisher verschont geblieben
Dass auf dem Atzmännig bisher nie ein Hochwasserunglück passiert ist, sei reiner Zufall, sagt Ivo Kuster, Jugendarbeiter und SP-Politiker aus Eschenbach. Die Steinbrücke, die über den Goldingerbach zu den Atzmännig-Anlagen führt, verfügt nur über einen kleinen Tunnel.
Sollte der Bach einmal mehr Wasser als üblich sowie Gehölz und Geschiebe mitführen, wäre der Kanal rasch verstopft. Die befestigten Campingwagen stünden innert Kürze komplett unter Wasser.
Laut Risikoanalysen des Kantons St.Gallen kann es auf dem Atzmännig alle 30 Jahre zu einer Überflutung von bis zu 1,5 Metern, alle 300 Jahre gar über 3 bis 4 Meter kommen. Weil der Goldingerbach wenige Kilometer entfernt entspringt, ist die Vorwarnzeit laut Kuster kurz und eine Evakuation nur «sehr schwer» möglich.
Gemeinde kennt Gefahr seit 2006
Massnahmen gegen die Hochwassergefahr seien Sache der Betreiberin und der Gemeinde Eschenbach, heisst es beim Kanton St.Gallen auf Anfrage.
Roger Meier, Geschäftsführer der Sportbahnen Atzmännig AG, erklärt, der Campingplatz sei seit 1979 bewilligt und in Betrieb. Die Hochwassergefahrenkarte sei ein Konstrukt «neuzeitlicher Berechnung». Während der heftigen Regenfälle Anfang Juni sei es in der «roten Gefahrenzone» beim Camping Atzmännig sehr entspannt geblieben.
Die Gefahr sei der Standortgemeinde – vor der Fusion im Jahr 2013 war das St.Gallenkappel – seit 2006 bekannt, sagt der Eschenbacher Gemeindepräsident Cornel Aerne. Seit 2007 gebe es ein entsprechendes Schutzkonzept. Gemäss Kanton könne dies aber «höchstens eine Übergangslösung» sein.
Für das gesamte Gemeindegebiet wurde 2020 ein Konzept für Naturgefahren erarbeitet. «Sobald Schutzmassnahmen definiert und die Zuständigkeiten geklärt sind, sollen diese zeitnah umgesetzt werden», kündigt Aerne an.
Auch eine Ausweitung des Bachdurchlasses werde diskutiert. Geprüft werde zudem, ob die Bauzone aufgrund der Gefahrenlage angepasst und ein Teil des Campingplatzes aufgehoben oder verlegt werden müsse, sagt der Gemeindepräsident.
Zu nahe am Wasser
Diesen Frühling hat Ivo Kuster bemerkt, dass anschliessend an den Dauercampingplatz Touristen-Stellplätze mit Kies befestigt wurden, die zum Teil ebenfalls in der Gefahrenzone und zusätzlich im Naturschutzgebiet liegen. «Zudem stehen gewisse Anbauten an Campingwagen zu nahe am Wasser», sagt Kuster.
Jeder Landwirt hätte sofort ein Verfahren am Hals, wenn er in einer Naturschutzzone, in einer Landwirtschaftszone oder im Wald etwas baue, und sei es nur ein befestigter Kiesplatz. Trotz erkannter Gefahrenlage sei bisher nichts geschehen. Die Gefahr werde wegen der Einnahmen aus dem Tourismus bewusst in Kauf genommen.
Solch «haltlose Unterstellungen» will die Gemeinde nicht kommentieren. Und Atzmännig-Chef Roger Meier sagt: «Dieser Vorwurf wird mit aller Konsequenz zurückgewiesen.» Vergangene Woche habe der technische Leiter den Anstieg des Bachs laufend beobachtet und fotografisch dokumentiert. «Wir haben unsere Pflichten beispielhaft umgesetzt», sagt Meier.
Überprüfung im Gang
Wer im Fall eines Unglücks haftbar wäre, weiss man weder bei der Atzmännig AG noch bei der Gemeinde mit Bestimmtheit. Zum Natur- und Heimatschutz hat die Gemeinde diesen Frühling Untersuchungen eingeleitet. Sie überprüft in Absprache mit dem Kanton den baurechtlichen Sachverhalt beim Dauercampingplatz und bei den Stellplätzen. Atzmännig-Chef Roger Meier räumt ein: «Es kann sein, dass uns die Bewilligung der zehn Stellplätze entzogen wird.»