Ostschweiz
St. Gallen

HSG stellt Plagiats-Professoren frei

Uni-Skandal

HSG stellt Plagiats-Professoren frei

· Online seit 16.12.2022, 16:29 Uhr
Die Universität St.Gallen zieht nach langem Druck endlich Konsequenzen im Plagiatsfall: Der beschuldigte Professor und sein Habilvater werden bis zum Abschluss der Untersuchungen freigestellt.

Quelle: TVO/FM1Today/Nicole Milz/Dario Brazerol

Anzeige

Plötzlich doch noch: Die HSG stellt zwei Professoren frei. Einerseits den Professor, der bei seiner Doktorarbeit und seiner Habilitationsschrift plagiiert haben soll, andererseits den betroffenen Habilvater, der mit dem Professor eng verbandelt ist.

«Aufgrund laufender Untersuchungen sind die beiden Professoren provisorisch freigestellt worden. Die provisorische Freistellung ist bis zur Anordnung von definitiven Massnahmen wirksam», sagt Bernhard Ehrenzeller, Rektor der Universität St.Gallen.

Die HSG begründet die Freistellung mit dem «sich erhärtenden Verdachts auf erhebliche wissenschaftliche Integritätsverletzungen und einer möglichen Vereitelungsgefahr».

Dass die Universität St.Gallen handeln musste, zeichnete sich ab. «Wir sind extrem unter Druck gekommen. Es gab eine Kaskade immer neuer Behauptungen. Wir waren komplett unvorbereitet und hatten keine Kenntnis. Ich muss offen zugeben: Wir sind langsam müde, über all die Jahre immer aus der Defensive handeln zu müssen», sagt Stefan Kölliker (SVP), Bildungschef des Kantons St.Gallen und Universitätsratpräsident, im Interview mit TVO.

Ausserkantonale Meldestelle eingerichtet

Kölliker: «Wir haben zwei Massnahmen getroffen: Einerseits die Massnahme personalrechtlicher Natur. Andererseits starten wir eine ‹Aktion der Offenlegung›, die bis zum 31. März dauert. Alle Mitarbeitenden, Dozierenden und Studierenden der Uni sollen die Möglichkeit haben, sich an eine neutrale Stelle, einen Rechtsanwalt von ausserhalb des Kantons St.Gallen, zu wenden, wenn sie einen Hinweis oder Verdacht auf eine Unstimmigkeit haben.»

Meldungen an diese Stelle werden an eine Gruppe weitergegeben, die den Hinweisen oder Vorwürfen nachgeht. In der Gruppe sind der amtierende Rektor Bernhard Ehrenzeller, Bildungschef Kölliker und die künftige Rektorin oder der künftige Rektor der HSG.

Kölliker: «So wollen wir den Durchbruch schaffen, dass die Altlasten, die uns immer wieder beschäftigen, abgearbeitet werden. Wir hoffen natürlich, dass nicht zu viel zum Vorschein kommt.»

«Wir wurden immer wieder überrascht»

Solche Skandale würden dem Ruf der Universität St.Gallen schädigen, meint Kölliker, die Integrität der Institution sei zum Teil in Frage gestellt worden. «Das wollen wir nicht mehr akzeptieren», sagt Kölliker.

Wieso die Uni selbst diese Fälle nicht früher entdeckt hat, kann sich der St.Galler Bildungschef und Universitätsratpräsident nicht erklären: «Wir werden immer von neuen Fällen getrieben, von denen wir selbst zum Teil keine Kenntnis hatten.»

Ob durch die neue Meldestelle – die bisherigen Whistleblowing- und die Ombudsstelle bleiben erhalten – weitere Missstände ans Licht kommen, ist unklar. Klar ist für Kölliker nur: «Wir wurden immer wieder überrascht von den Fällen, die aufgetaucht sind. Deshalb musste jetzt etwas Bedeutsames passieren. Wir wollen die Vergangenheit hinter uns lassen und positiv in die Zukunft gehen.»

Das steckt hinter der «Plagiats-Affäre»

Zur «Plagiats-Affäre» kam es, nachdem die «NZZ am Sonntag» anfangs September publik gemacht hatte, dass ein HSG-Professor bei seiner Doktorarbeit systematisch plagiiert haben soll. Der Uni waren die Vorwürfe bekannt, Studierende wiesen die Schule darauf hin. Die HSG prüfte die Vorwürfe, sah aber keine Verfehlungen. Ein Gutachten, das das «St.Galler Tagblatt» in Auftrag gab, kam jedoch zum Schluss, dass in der Habilitationsschrift des Professors mehrere Passagen nicht von ihm stammen. Auch bei der Doktorarbeit wurden plagiierte Textstellen entdeckt.

Später kam noch der Vorwurf dazu, dass der Dozent Abschlussarbeiten von Studentinnen und Studenten teils unter seinem Namen publiziert habe.

Ein weiterer HSG-Professor, der den Kollegen bei der Habilitation betreute, soll den Fehlbaren geschützt und auch mit ihm geschäftet haben. Als der Skandal publik wurde, kam es zu Einschüchterungsversuchen gegen die Studierenden und die Medien mit Anwaltsschreiben.

veröffentlicht: 16. Dezember 2022 16:29
aktualisiert: 16. Dezember 2022 16:29
Quelle: FM1Today

Anzeige
Anzeige