«Wie einfach war es bisher, den kleinen Fahrplan zu Hause oder auswärts in die Hand zu nehmen und die Linie und die Fahrplanzeiten an jedem beliebigem Ort herauszufinden», das hat eine Person in den St.Galler Stadtmelder geschrieben. Die Person ärgert sich in ihrem Eintrag darüber, dass der Busfahrplan in Papierform abgeschafft wurde und Kundinnen und Kunden nun online nachschauen müssen.
«Ich behaupte mal, dass nicht jeder Fahrgast Zugriff auf das Internet hat», schreibt die Person weiter. Die Antwort der Stadt: «Der Entscheid wurde letztendlich nicht von der Stadt, sondern vom Kanton gefällt und die Verkehrsbetriebe St.Gallen (VBSG) sind die Ausführenden. Die VBSG konnten sich für 2021/22 durchsetzen und die Version der gedruckten Fahrpläne um ein weiteres Jahr verlängern. Mit dem Fahrplanwechsel vom 11. Dezember 2022 wurde diese nun definitiv aufgehoben.» Die Stadt verstehe es jedoch, dass der Entscheid nicht überall auf Verständnis stösst.
Die Fahrpläne aller Schweizer Bahn-, Bus- und Schiffunternehmen können online abgerufen und bei Bedarf ausgedruckt werden. So auch die zwölf Linien der VBSG. Die VBSG selbst möchten sich auf Anfrage nicht zu diesem Thema äussern.
«Fester Teil des Alltags geworden»
Patrick Ruggli, Leiter des Amts für öffentlichen Verkehr des Kantons St.Gallen, erklärt: «Digitale Informationen sind fester Teil des Alltags geworden und die Nutzung hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt und ist heute nicht mehr wegzudenken.» Die Corona-Pandemie habe diesen Prozess stark beschleunigt.
Auch der öffentliche Verkehr spüre den Wandel der Digitalisierung: «Es ist wenig erstaunlich, dass die Nachfrage nach gedruckten Fahrplänen immer weiter zurückgegangen ist. Die meisten Transportunternehmen im Tarifverbund Ostwind verzichten fortan auf den Druck von Taschenfahrplänen», erklärt Ruggli. Nicht zuletzt trage dies zur Schonung der natürlichen Ressourcen bei.
Kunden rechtzeitig sensibilisiert
Doch nicht nur im öffentlichen Verkehr schreitet die Digitalisierung voran. Seit dem 30. September 2022 werden ausschliesslich QR-Rechnungen versandt – die klassischen Einzahlungsscheine gehören der Vergangenheit an.
Die Schweizerische Post zieht eine positive Bilanz, was die Umstellung auf die QR-Rechnung betrifft: «Die Mehrheit geht schon sehr routiniert mit den QR-Rechnungen um. Wir haben es geschafft, die Kundinnen und Kunden rechtzeitig zu sensibilisieren», erklärt Erich Goetschi, Mediensprecher der Schweizerischen Post.
«Der personalisierte Einzahlungsschein mag in Rente gegangen sein – das gelbe Büchlein ist es nicht», erklärt Goetschi. So wurden im Jahr 2022 86'500 gelbe Büchlein verkauft. Doch die Zahl ging in den letzten Jahren merklich zurück: «2021 waren es noch 110'000 Exemplare», so Goetschi.
Laut der Post wird keine Statistik darüber geführt, was das Alter der Kundinnen und Kunden betrifft. «Aber wir beobachten, dass gerade ältere Generationen das gelbe Büchlein noch immer sehr schätzen. Doch auch jüngere Personen oder Geschäftskunden nutzen seine Dienste.»
Für die Six Group, welche für den Zahlungsverkehr in der Schweiz zuständig ist, bietet die Umstellung auf die QR-Rechnung viele Vorteile: «Der QR-Code kann einfach und bequem eingescannt werden. Es ist kein Abtippen von Konto- und Referenznummer mehr nötig. Das Bezahlen wird dadurch schneller und Fehlerquellen werden reduziert», schreibt die Six Group in einer Mitteilung. Auch für Rechnungssteller sei nun der gesamte Rechnungsstellerprozess schneller, effizienter und mittelfristig kostengünstiger.
«Ohne mühsames Eintippen»
Die Pro Senectute St.Gallen, welche zur grössten Fach- und Dienstleistungsorganisation für Seniorinnen und Senioren in der Schweiz gehört, hat bemerkt, dass im Zusammenhang mit der Digitalisierung primär die Sorge besteht, dass insbesondere die ältere Generation den Anschluss verpassen könnte. Doch gerade am Beispiel der QR-Rechnung stellt die Pro Senectute das nicht fest, es gebe sogar Vorteile: Dass das mühsame und fehleranfällige Eintippen einer IBAN-Nummer beim E-Banking wegfällt, sei insbesondere für Leute mit körperlichen Einschränkungen eine Erleichterung.
Dass sich ältere Personen damit schwertun, stellt Thomas Diener, Vorsitzender der Geschäftsleitung Pro Senectute Kanton St.Gallen, nicht fest: «Es ist nicht einfach eine Frage des Alters, ob Neuerungen verstanden werden, als vielmehr die Form und der Zugang zur Information.»
Die Pro Senectute St.Gallen bietet seit vielen Jahren einen Kurs für die Handhabung von Computern, Handys oder des Internets an: «Wir stellen fest, dass die Grundkurse nur noch wenig genutzt werden. Das Angebot bleibt aber bestehen.»
Diener: «Es mag ja sein, dass einige den Zugang zur neuen Technologie nicht mehr finden. Es gibt aber auch jene, die darin keinen Nutzen für sich erkennen und sich aktiv zurückhalten.»
Er sagt auch, dass die Skepsis gegenüber «angeblichen neuen Errungenschaften» mit zunehmendem Alter etwas grösser sei. «Weil diese Generation tendenziell bestimmte Dinge stärker hinterfragt und Aufwand und erwarteten Ertrag etwas kritischer unter die Lupe nimmt. Eigentlich ganz vernünftig.»
Bargeldloses Bezahlen und Online-Fahrkarten
Bis 2035 werden in der Schweiz Billettautomaten an Bahnhöfen und Bushaltestellen abgeschafft. Der ÖV-Tarifbranchenverband «Alliance Swisspass» sagt gegenüber SRF, dass die Automaten zu teuer seien und zu selten benutzt würden. Man gehe davon aus, dass bis 2035 alle Reisenden mit dem Handy bezahlen können.
Es soll aber auch nach 2035 möglich sein, ohne Handy oder Kreditkarte ein Billett zu kaufen. Wie dies genau aussehen wird, sei noch unklar.
Bei der Postauto AG will man den Billettkauf direkt bei der Chauffeurin oder dem Chauffeur ab 2025 abschaffen. Stattdessen sollen kleine Billettautomaten in den Postautos zur Verfügung stehen. Bargeld- und sogar kontaktlos sollen diese funktionieren, schreibt «Saldo». Erste Offerten seien bereits eingeholt worden – ab 2025 soll umgerüstet werden.