Ostschweiz
St. Gallen

Künstler wollen kleinstes Skigebiet der Welt in St.Gallen bauen

«Blödsinnige Idee»

Schwarze Piste mitten in der Stadt St.Gallen: Kunstschaffende planen kleinstes Skigebiet der Welt

· Online seit 18.10.2024, 06:01 Uhr
Es klingt wie eine Spinnerei: In einem Garten in der Stadt St.Gallen soll in diesem Winter das kleinste Skigebiet der Welt betrieben werden – mit einem Skilift und einer schwarzen Piste. Doch die Köpfe dahinter, eine Gruppe von Künstlerinnen und Künstler, meinen es ernst und planen die Saison-Eröffnung per Anfang Februar.
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Eigentlich ist das Haus an der Schneebergstrasse 50 ein gewöhnliches Haus. Es hat blaue Fensterläden, einen Garten und eine Garage. Doch es ist dem Abbruch geweiht, da es einem Neubau weichen soll. Kaum jemand würde es beim Vorbeigehen wohl mit den Skiferien im letzten Jahr in Verbindung bringen. Doch das soll sich offenbar bald ändern. «Die kürzeste schwarze Piste der Milchstrasse» an einem 20 Meter langen Hang samt Schlepplift sollen schon bald rund um das Haus entstehen. Besser gesagt im Garten hinter dem Haus.

Was im ersten Moment kurios klingen mag, ist so aus einem aktuellen Baugesuch der Stadt St.Gallen herauszulesen. Das Ziel hinter diesem aussergewöhnlichen Projekt: Das kleinste Skigebiet der Welt soll entstehen, «ein Wintermärchen». Dahinter stecken der Verein Geiler Block mit der Künstlerin und Netzwerkerin Anita Zimmermann und drei weitere Kunstschaffende.

Zimmermann ist bekannt dafür, dass sie leerstehende Gebäude in St.Gallen zwischen nutzt und genau diesen Zweck soll auch dieses Kunstprojekt, wie es im Gesuch deklariert ist, erfüllen. Die Bau- und Immobilienfirma Halter AG sei auf die Künstlerin zugegangen und hätte das Objekt für eine Nutzung von zwei Monaten angeboten.

Wieso genau ein Skilift?

«Es wäre doch geil, wenn wir hier einen Lift machen würden», dachte sich die Projektgruppe beim Brainstormen über den brachliegenden, «sauhueresteile» Hang bei dem Zweifamilienhaus. «Es war eine dieser Ideen, die mit den Worten beginnt: ‹Man müsste doch einmal›», führt Christian Meier, Mitglied der Projektgruppe, gegenüber FM1Today aus. Das Gute an solchen Ideen sei jeweils, dass sie super seien, aber selten umgesetzt werden.

Schwierig könnte die Umsetzung bei dieser Idee tatsächlich sein, wovon sich Meier und seine Gspändli aber nicht aufhalten lassen. Kurzerhand hat er zusammen mit Anita Zimmermann, Thomas Stüssi und Sonja Rüegg die IG Skilift AG gegründet. Ein Skilift aus dem Tirol wurde bereits vermittelt und die Eröffnung der Liftsaison ist auf den 1. Februar angesetzt.

Nebst Skifahren stehen auch Nachtskifahren und Après-Ski auf dem Programm. «Oder Roboter- oder andere Rennen, was immer es dann geben wird», so Meier. Man wolle sich allgemein nicht zu sehr auf ein Konzept festlegen. Oder wie in den Unterlagen des Baugesuchs steht: «Das Rahmenprogramm wird eine elektrische Wundertüte, wo sich Ski- und Kunstwelt ‹Hallo› und ‹Gute Nacht› sagen.»

Wo man Ski fährt, braucht es auch Schnee, oder?

Nebst der natürlichen Beschneiung «spienzelt» die Gruppe darauf, den Schnee der städtischen Strassenräumung auf der Piste zu recyceln. Dafür haben die Vier ein wahnwitziges System ausgeheckt, wie auch das «St.Galler Tagblatt» berichtete. «Der wird dann über ein Förderband durch das Wohnzimmer des Hauses geführt und anschliessend mit einer Schleuder in Pulverform auf die Piste katapultiert», sagt Meier. Und wenn es keinen natürlichen Schnee gibt, sei es auch nicht so tragisch. «Auch dann gibt es ein Bild. Das Bild von einem Skilift, der im Grünen, mitten in der Stadt vor sich hinrattert.»

Zum Lift verrät Meier so viel: «Es ist ein huere Ding, ein riesiges Teil. Es passt eigentlich überhaupt nicht in diesen kleinen Hang hinein.» Das wäre ideal, da es die Verhältnislosigkeit gut zum Ausdruck bringen würde. Zudem gebe es etwa fünf Bügel am Schlepplift. Da der Hang extrem steil und kurz ist, sei der Platz begrenzt. «Die Piste ist tiefschwarz, also nichts für Anfänger», betont der Künstler, der selbst Ski und Snowboard fährt.

Aufwändiges Unterfangen

Ob mit oder ohne Schnee, hinter dem kleinsten Skigebiet St.Gallens steht ein enormer Aufwand. Die Masten müssen aufgestellt werden, am Haus müssen bauliche Anpassungen vorgenommen, die Piste präpariert und die Sicherheit während des Betriebs bis Ende März gewährleistet werden. Dabei möchte die IG auch mit der Unterstützung aus der Nachbarschaft arbeiten.

Gar eine Webcam soll es geben. «So kann man von der ganzen Welt aus beobachten, welche Pistenverhältnisse wir haben.» Zu den Kosten macht Meier keine Angaben.

«Kunst mit Botschaft ist langweilig»

Im Gespräch mit Meier wird deutlich, dass die Gruppe das ganze so nehmen will, wie es kommt und Raum für weitere Ideen offen lassen möchte. Er nennt Eigendynamik als Stichwort. Diese Haltung zeigt sich auch, als der Künstler nach der Botschaft hinter dem Kunstprojekt gefragt wird. «Kunst, die eine Botschaft vermittelt, ist fast in jedem Fall langweilig. Sie ist beschränkt auf ein Vorhaben, auf eine Aussage» argumentiert Meier.

Natürlich beschäftige die Gruppe die Veränderung des Klimas und das Aussterben der Skigebiete, doch jede und jeder solle Platz haben, sich seine eigenen Gedanken zu dem Skigebiet und der Aktion zu machen. «Man kann sich darüber aufregen, freuen oder es kann Fragen aufwerfen. Zum Beispiel was jetzt ein Skigebiet an einem Ort macht, an den es gar nicht hingehört.»

«Auf jeden Fall verfolgen wir diese blödsinnige Idee voller Enthusiasmus», sagt Meier abschliessend. Wer die vier Köpfe hinter dem Skigebiet genauer kennenlernen, oder sich mit ihnen austauschen möchte, wird sie im Winter sicher entweder als «Schaufler» oder Skifahrer auf der Piste antreffen. Und wer sich nun bereits Gedanken über ein Saisonabo macht: Der Preis dafür sei noch in Absprache. Demnächst werde eine Webseite zum Skigebiet aufgeschaltet, wo man mehr Infos dazu finden wird, so Meier.

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veröffentlicht: 18. Oktober 2024 06:01
aktualisiert: 18. Oktober 2024 06:01
Quelle: FM1Today

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