Nach einem rund zweimonatigen Lockdown darf das Gastgewerbe seit dem 11. Mai wieder Gäste empfangen. Nicht nur Beizer sind erleichtert, auch die Bevölkerung scheint die neu gewonnene «Freiheit» zu geniessen. In vielen Beizen und Gartencafés sieht man wieder vermehrt Leute. Im Partylokal «Piazza» in Oberriet eskalierte das Ganze, der Besitzer hatte nach nur zwei Wochen Betrieb einen Strafbefehl im Briefkasten, weil das Lokal mehr als die 52 erlaubten Gäste bewirtete.
Video zeigt zu viele Leute
Schon am Eröffnungsabend konnte das Lokal nicht rechtzeitig schliessen. «Wir hatten Probleme, die Gäste bis Mitternacht rauszubringen», sagt Besitzer Albert Hengartner gegenüber FM1Today. Am darauffolgenden Freitag spielten sich ähnliche Szenen ab: zu viele Leute, zu lange offen. Der Kantonspolizei St.Gallen wurden Videos zugespielt, die diese Vorfälle zeigen.
Quelle: tvo
Auch eine Leserreporterin beobachtete das rege Treiben im «Piazza»: «Ich fuhr am Mittwochabend vor Auffahrt am ‹Piazza› in Oberriet vorbei. Noch nie habe ich in diesem Lokal so viele Leute gesehen, obwohl gar keine Party stattfand. Auch draussen auf dem Parkplatz tummelten sich die Partygäste und feierten, als hätten sie noch nie was von Corona gehört.»
Staatsanwaltschaft stellt Strafbefehl aus
«Die Kantonspolizei St.Gallen hat Filmausschnitte vom ‹Piazza› erhalten, darauf sieht man, dass zu viele Leute dort waren», sagt Hanspeter Krüsi, Mediensprecher der Kantonspolizei St.Gallen. Die Kantonspolizei rapportierte den Vorfall, die Staatsanwaltschaft beurteilte daraufhin die Geschehnisse und stellte einen Strafbefehl aus.
«Hatten keinen Einfluss auf Verhalten der Gäste»
«Wir liessen nicht mehr als fünf Leute an einen Tisch – wer stand, erhielt nichts», so der 62-jährige Piazza-Besitzer. Das Personal habe die Vorschriften eingehalten, aber die Gäste nicht. «Wir hatten mehr Leute als erwartet und wenig Einfluss darauf, wie sich diese verhalten.»
Gerade mal zwei Wochen offen und schon ein Strafbefehl, hätte die Polizei nicht mehr Kulanz zeigen können? «Wenn wir zur Tatzeit ein Telefon erhalten, rücken wir aus und klären ab, was los ist. Weil wir das Video vom ‹Piazza› erst später erhielten, war dies nicht möglich», so Krüsi. «Wir verwendeten das Video als Beweis und gaben es an die Staatsanwaltschaft zur Beurteilung weiter.»
Busse von mehreren tausend Franken
Albert Hengartner muss nun eine Busse von mehreren tausend Franken bezahlen und wird mit einer bedingten Geldstrafe bei einer Probezeit von drei Jahren bestraft. Sollte er in diesen drei Jahren einen weiteren Verstoss begehen, kostet ihn das inklusive Busse fast 20'000 Franken.
16 Verstösse gegen das Verbot von Menschenansammlungen
Bisher sind bei der St.Galler Staatsanwaltschaft 16 Fälle wegen Verstössen gegen das Verbot von Menschenansammlungen eingegangen. Mediensprecherin Beatrice Giger sagt: «Die Strafen werden im Einzelfall angepasst.» Von Bedeutung seien zum Beispiel das Verschulden des Täters, das Vorleben (wie Vorstrafen oder Leumund) und seine persönlichen Verhältnisse, beispielsweise die finanzielle Situation.
«Ich verabschiede mich»
Für Hengartner ist die Busse unverständlich: «Mich macht es hässig, wie man aus einem Büro raus solche Bussen verteilen kann.» Gegen den Strafbefehl vorgehen will er trotzdem nicht: «Wir zahlen das und dann sollen die glücklich werden. Ich verabschiede mich per 26. Mai aus der Gastronomie in den Ruhestand – das war's.»
Solange die Corona-Regeln noch gelten, bleibt das Partylokal auf freiwilliger Basis geschlossen. Dann übernimmt Hengartners Sohn Ronny, heute schon Geschäftsführer, den Betrieb – und erwirbt das Wirtepatent.