Kopfschütteln, leeres Schlucken, Augen schliessen, tief durchatmen – die Anklageschrift in diesem Fall von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch schockiert, sie umfasst 120 Seiten. Auf diesen Seiten wird detailgetreu jedes einzelne kinderpornografische Bild oder Video beschrieben. Aufnahmen, die zeigen, wie der 65-Jährige die Wehrlosigkeit mehrerer unschuldiger Mädchen aus fremden Ländern ausnutzte und sie zu Dingen zwang, die kein Mädchen jemals erleben sollte.
Dem Ostschweizer wird vorgeworfen, Mädchen zwischen fünf und zwölf Jahren aus Osteuropa unter anderem ins Toggenburg gebracht und dort zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben. Zwischen 2007 und 2011 soll er die Mädchen gezwungen haben, sich für ihn auszuziehen, zu posieren und sich filmen zu lassen. In einigen Fällen zwang er die Mädchen gar zu Oralsex. Über 2000 kinderpornografische Aufnahmen wurden beim Mann gefunden.
Fünfjährige klammerte sich schutzsuchend an Mutter
In einem Fall geht es um den Missbrauch eines fünfjährigen Mädchens, das mit seiner Mutter aus der Slowakei in die Schweiz kam. Auf rund 40 Seiten wird in der Anklageschrift beschrieben, wie der Mann das Kind, teilweise nur mit einem Strumpf über dem Kopf bekleidet, fotografierte und filmte. Die Mutter des fünfjährigen Mädchens wird mehrmals gezwungen, das Kind in Szene zu setzen oder sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen. In der Anklageschrift wird betont, dass der Mann jeweils dominant und bestimmend auftrat und die ausweglose Situation der Mutter und des Kindes ausnutzte, die im Land fremd waren, keine Bezugspersonen hatten, die Sprache nicht sprechen konnten und auf das Geld angewiesen waren.
Die meisten Aufnahmen in diesem Fall stammen aus einem Haus im Toggenburg. Bei den Treffen überschreitet der Angeklagte mit der Zeit immer mehr Grenzen. Es bleibt nicht bei den Aufnahmen in sexuelle aufreizenden Posen: Es kommt soweit, dass der Mann die Fünfjährige mehrfach zu Oralsex zwingt. Dies ,obwohl das Mädchen sich, soweit möglich in diesem Alter, wehrte.
Laut Anklageschrift ist auf den Bildern zu sehen, wie das Mädchen teilweise haltlos weint, sich am Bein der Mutter festhält, den Mund verschliesst oder deutlich «Nein» sagt. Die heute 17-jährige Slowakin verzichtet auf eine Klage. Deren Mutter, die vom Ostschweizer ebenfalls sexuell missbraucht wurde, ist zurück in der Slowakei. Es sei möglich, dass in der Slowakei nach Abschluss des Schweizer Verfahrens, ein Strafverfahren gegen die Mutter eröffnet wird.
10-Jährige ekelte sich vor Angeklagtem
Als einzige gegen den Ostschweizer klagt eine heute 22-jährige Polin. Sie wurde im Alter von zehn Jahren das erste Mal vom 65-Jährigen missbraucht. Auch sie musste immer wieder für den Mann posieren, wurde zu Oralsex gezwungen oder musste sexuelle Handlungen an sich vornehmen. Der Angeklagte filmte oder fotografierte das Mädchen in der Dusche oder auf der Toilette. Gemäss Anklageschrift wehrte sich auch dieses Mädchen mehrfach gegen die sexuellen Handlungen des ihr körperlich überlegenen Angeklagten. Mit der Zeit habe das Mädchen apathisch gewirkt, es liess die Dinge mit sich geschehen.
Drei Sklavinnenverträge sichergestellt
In einem weiteren Fall soll der Angeklagte von einer ukrainischen Mutter gegen Geld Nacktbilder deren 7-jähriger Tochter erhalten haben. Dies soll zwischen 2009 und 2014 passiert sein.
In allen Fällen liess der Ostschweizer die Mädchen einen Sklavinnenvertrag unterzeichnen. Drei Sklavinnenverträge wurden von der Polizei sichergestellt. Ausserdem fanden die Ermittler mehrere Bankauszüge, die belegen, dass der 65-Jährige den Frauen Geld überwies.
Aufmerksam auf den Ostschweizer wurden die Schweizer Behörden durch einen anonymen Hinweis im Jahr 2013. Daraufhin wurde die Wohnung der slowakischen Mutter durchsucht. Im Frühling 2014 wurde das Telefon des Mannes überwacht und er wurde beschattet. Im Herbst durchsuchte die Polizei sämtliche Wohnungen und Häuser, in denen sich der Angeklagte aufgehalten hatte. Darin fand die Polizei diverse DVDs, USB-Sticks, Computer, Kameras, Sexspielzeug und Damenkleidung. Auf einer Festplatte, die auf den kanarischen Inseln sichergestellt wurde, befand sich weiteres pornografisches Material.
15 Jahre Haft gefordert
Der Angeklagte wurde im Herbst 2014 verhaftet und kam in Untersuchungshaft. Seit Februar 2016 befindet er sich im vorzeitigen Strafvollzug. Die Staatsanwaltschaft fordert wegen mehrfacher Schändung, mehrfacher sexueller Nötigung, mehrfachen sexuelle Handlungen mit Kindern, mehrfacher Anstiftung dazu und mehrfacher Pornografie eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 491 Tagen. Ausserdem soll er die Untersuchungs- und Gerichtskosten von über 100'000 Franken zahlen. Unklar ist, ob bereits an den Verhandlungen am Mittwoch im Kreisgericht Toggenburg in Lichtensteig ein Urteil gefällt wird. Es gilt die Unschuldsvermutung.