Ostschweiz
St. Gallen

Rechtschaos um Weieren-Musikverbot: Das sagt die St.Galler Stadträtin Sonja Lüthi

Drei Weieren

Rechtschaos um Weieren-Musikverbot: Das sagt Stadträtin Sonja Lüthi

03.07.2021, 07:50 Uhr
· Online seit 03.07.2021, 06:54 Uhr
Ein weiteres Kapitel im Weieren-Wirrwarr: Stadträtin Sonja Lüthi nimmt zum Chaos rund um das Musikverbot Stellung. Die wichtigste Botschaft ist: Musikhören auf Drei Weieren in angemessener Lautstärke wird nicht bestraft – rechtliche Fragezeichen bleiben aber.
Nico Conzett

Quelle: tvo

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Es war ein ständiges Hin und Her: Zuerst durfte man jahrelang, dann im Frühling kurzzeitig gar nicht – nur damit wenig später der Stadtrat zurückkrebste und wieder die alte Ordnung ausrief. Doch zu allem Überfluss war das noch nicht das Ende der Geschichte. Eine Schutzverordnung von 1995 tauchte auf und legitimierte möglicherweise den Frühlingszustand doch wieder: Die Rede ist vom Musikverbot auf Drei Weieren.

Jetzt soll ein für allemal Klarheit geschaffen werden. Was hat es mit dieser Schutzverordnung auf sich? Welche rechtliche Grundlage gilt auf Drei Weieren? Und vor allem: Darf man jetzt Musik spielen oder nicht? Diese Fragen werden nachstehend beantwortet.

Was hat es mit der Schutzverordnung auf sich?

Die vielzitierte Schutzverordnung aus dem Jahr 1995 heisst mit ganzem Namen «Schutzverordnung Dreilinden/Notkersegg» und dient, gestützt auf weitere ziemlich alte Rechtsgrundlagen, dem Schutz der ökologischen Umgebung rund um das Gebiet der Drei Weieren. Weiter soll sie «landschaftsverträgliche Erholungs- und Freizeitnutzungen» ermöglichen – also beispielsweise Schwimmen oder Sünnelen, in einem naturverträglichen Rahmen.

Was ist das Problem an der Schutzverordnung?

Verantwortlich für das rechtliche Durcheinander ist Artikel 7. Dieser besagt unter Absatz 3, dass es für «Nutzungen, die elektronisch verstärkte Lärmemmissionen» erzeugen, eine Bewilligung braucht. Sprich: Wer mit einer Boombox Musik hört, muss rein theoretisch eine Bewilligung vorweisen können.

Das steht wiederum in Konflikt mit dem Immissionsschutzreglement: Dieses besagt, dass Musik im Freien erlaubt ist, solange keine störenden Immissionen vorliegen – also wenn es in angemessener Lautstärke ist und sich niemand berechtigterweise (das liegt im Interpretationsspielraum der Polizei) daran stört.

Das ist also ein klarer Widerspruch zur Schutzverordnung. Was zur entscheidenden Frage führt:

Welche rechtliche Grundlage gilt für Drei Weieren?

Stadträtin Sonja Lüthi erklärt am Donnerstag gegenüber TVO: «Es gelten beide Regelungen. Für das Weieren-Gebiet sind verschiedene Rechtsgrundlagen massgebend.»

Es ist natürlich möglich, dass verschiedene Grundlagen Gültigkeit besitzen, allerdings ergibt es wenig Sinn, wenn sich die Regelungen widersprechen. Genau das ist aktuell der Fall.

Der St.Galler Politexperte Reto Antenen ist sich zudem sicher: «Die Schutzverordnung für das Dreilinden-Gebiet wurde vom Stadtparlament verabschiedet und steht damit über dem Immissionsschutzreglement, das der Stadtrat beschlossen hat.» Was wiederum bedeuten würde, dass es eben eine Bewilligung fürs Musikhören braucht.

Der springende Punkt ist: Es kann nicht sein, dass beide Regelungen gleichzeitig gelten und je nach Lust und Laune angewendet werden – der Vorwurf der Willkür ist dann nicht mehr sehr weit.

Stadträtin Lüthi nimmt zu diesen Punkten am Freitag schriftlich Stellung. Sie bezieht sich darauf, dass die Schutzverordnung ausschliesslich für Veranstaltungen gelte und damit der aktuelle Umgang rechtlich korrekt wäre. Klar geregelt ist das jedoch nicht: In der Verordnung ist die Rede von «Sport- und Erholungsarten sowie Veranstaltungen». Da die Rede ebenso von «Erholungsarten» ist, kann kaum mit Bestimmtheit gesagt werden, dass sich die Passage nur auf Veranstaltungen bezieht.

Wie kann die rechtliche Ungenauigkeit behoben werden?

Gemäss Politexperte Antenen führt nichts daran vorbei, dass die Schutzverordnung angepasst wird, um eine rechtlich eindeutige Situation zu schaffen. Dafür bräuchte es eine Vorlage des Stadtrats an das Parlament. Eine Anpassung wäre sicherlich sinnvoll – denn theoretisch könnte aktuell gegen die Stadt geklagt werden, weil geltendes Recht nicht durchgesetzt wird. Es ist unwahrscheinlich, dass das passiert. Würde aber jemand Klage einreichen – die Chancen, dass sie erfolgreich wäre, sind vorhanden.

Wird man jetzt für Musikhören mit Boxen bestraft oder nicht?

Aufgrund der Aussagen von Stadträtin Lüthi ist derzeit nicht davon auszugehen, dass man gebüsst wird, wenn man auf Drei Weieren Musik mit Boxen hört – solange es in angemessener Lautstärke stattfindet. Ob das in rechtlicher Hinsicht korrekt ist, ist eine andere Frage.

veröffentlicht: 3. Juli 2021 06:54
aktualisiert: 3. Juli 2021 07:50
Quelle: FM1Today

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