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Schwanger als Drogenkurierin unterwegs: Frau am Kreisgericht St.Gallen verurteilt

St.Gallen

Schwanger als Drogenkurierin unterwegs: Frau verurteilt

· Online seit 11.06.2021, 07:21 Uhr
Eine junge Mutter war angeklagt, für den Transport von sechs Koffern Kokain mitverantwortlich zu sein. Sie bestritt vor dem St.Galler Kreisgericht jede Schuld, wie das «St.Galler Tagblatt» berichtet.
Claudia Schmid/St.Galler Tagblatt
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Die 32-jährige Staatsbürgerin von Kosovo lernte im Sommer 2015 einen Drogenkurier kennen, der regelmässig von Amsterdam nach St.Gallen fuhr und dabei jeweils einen Koffer in die Schweiz einführte, der zwischen zwei und fünf Kilogramm Kokain enthielt.

Die Beschuldigte war angeklagt, bei mindestens fünf dieser Fahrten dabei gewesen zu sein. Sie habe gewusst, dass ihr Freund dort jeweils einen Koffer mit Drogen geholt habe, erklärte der Staatsanwalt an der Verhandlung am Kreisgericht St.Gallen. Gemäss seinen Ausführungen chauffierte sie ihren Freund mit ihrem Wagen. In Amsterdam übernachteten sie, holten den präparierten Koffer mit dem doppelten Boden ab, durchquerten Deutschland, benützten die Fähre von Friedrichshafen nach Romanshorn und erreichten so St.Gallen.

Schwanger und in Geldnot

Die Beschuldigte habe in Amsterdam eine Entschädigung für ihre Auslagen erhalten, betonte der Staatsanwalt. Zudem hätten ihr Freund und sie den Kurierlohn von 2000 Franken pro Koffer hälftig geteilt. Die Zusammenarbeit habe geendet, als sich die beiden Ende Januar 2016 getrennt hätten.

Wie es in der Anklageschrift weiter heisst, traf sich die in Deutschland und der Schweiz aufgewachsene Kosovarin Ende Juli 2017 mit einer Bekannten, die ebenfalls als Drogenkurierin zwischen Amsterdam und St.Gallen unterwegs war. Die Beschuldigte war damals schwanger und hatte finanzielle Probleme.

Sie bat die Bekannte, ihr Geld zu leihen. Diese schlug ihr stattdessen vor, sie nach Amsterdam zu begleiten, um dort einen Koffer mit Kokain abzuholen und in die Schweiz einzuführen. Die beiden flogen nach Amsterdam und übernachteten in einem Hotel. Am frühen Morgen wurden sie von einem Schwarzafrikaner abgeholt und zu einem grenznahen Bahnhof gebracht. Von dort fuhren die beiden mit einem Koffer, der im doppelten Boden Kokain enthielt, mit dem Zug nach St.Gallen zurück.

Nie fremde Koffer bemerkt

Die Beschuldigte bestritt vehement, von den Drogentransporten gewusst zu haben. Sie habe nie irgendwelche fremden Koffer bemerkt. Ihr Freund habe ihr gesagt, sie würden sich ein schönes Wochenende in Amsterdam machen. Er habe versprochen, mit ihr in einen Coffeeshop zu gehen, da sie damals Marihuana geraucht habe. Auch die Bekannte habe ihr lediglich ein erholsames Wochenende angeboten, da sie damals wegen der Schwangerschaft und der Geldsorgen verzweifelt gewesen sei. Sie habe sich alleingelassen gefühlt und habe deshalb das Angebot gerne angenommen.

Trotz der erdrückenden Beweise habe die Beschuldigte leider kein Geständnis abgelegt, erklärte der Staatsanwalt. Sie sei wegen Kurierdiensten ins Waadtland bereits einschlägig vorbestraft. Während der Haft habe sie ihr Kind auf die Welt gebracht. Er beantragte eine Verurteilung wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die Frau sei im Zusatz zum Urteil des Tribunal correctionnel de l'Est vaudois vom April 2018 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten zu verurteilen, für fünf Jahre des Landes zu verweisen und es sei die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem SIS anzuordnen.

Vorwürfe zu wenig präzise dargelegt

Der Verteidiger verlangte einen Freispruch. Die Vorwürfe der Anklage seien zu wenig präzise dargelegt. Bei den ersten Reisen nach Amsterdam habe sie in ihrer Verliebtheit lediglich eine schöne Zeit mit ihrem Freund verbringen wollen. Der Grund für die letzte Reise mit der Bekannten seien ihre persönlichen Probleme gewesen. Sie habe sich etwas Abstand von ihren Sorgen und Nöten erhofft.

Falls das Gericht trotz allem zu einem Schuldspruch komme, sei zwingend auf eine Landesverweisung zu verzichten. Die Tat liege sechs Jahre zurück. Heute könne seiner Mandantin eine gute Prognose gestellt werden. Sie sei nun Mutter eines Kleinkindes, habe mit ihrem früheren Leben abgeschlossen und werde von ihrer Familie stark unterstützt.

Gericht anerkennt Härtefall

Das Kreisgericht St.Gallen fällte einen Schuldspruch und sprach eine bedingte Freiheitsstrafe von zehn Monaten mit einer Probezeit von fünf Jahren aus. Auf die Anordnung einer Landesverweisung verzichtete es.

Für das Gericht sei völlig klar, dass die Beschuldigte von den Koffern mit Drogen gewusst und vom Kurierdienst profitiert habe, erklärte der vorsitzende Richter zum Urteil. Beim Strafmass habe man berücksichtigt, dass sich das Leben der Frau in den letzten sechs Jahren stabilisiert habe. Was der Verzicht auf die Landesverweisung betreffe, komme ihr zugute, dass sie Mutter eines Kindes sei, welches den Schweizer Pass besitze.

veröffentlicht: 11. Juni 2021 07:21
aktualisiert: 11. Juni 2021 07:21
Quelle: St.Galler Tagblatt

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