Ostschweiz
St. Gallen

Schwerer Unfall am Flugplatz Altenrhein

Schwerer Unfall am Flugplatz Altenrhein

11.09.2018, 08:20 Uhr
· Online seit 11.09.2018, 06:15 Uhr
Mit gut 200 Einsatzkräften probte die Kantonspolizei St.Gallen zusammen mit Feuerwehr, Rettung und psychologischer erster Hilfe den Ernstfall. Das Szenario: Ein Flugzeug verunfallt nach der Landung am Flughafen Altenrhein.
Sandro Zulian
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«Bei der Landung eines Flugzeugs auf dem Flughafen Altenrhein ist das linke Fahrwerk weggebrochen. Wir müssen von vielen Verletzten, allenfalls Toten ausgehen», sagt Hanspeter Krüsi von der Kantonspolizei St.Gallen. Das Szenario, mit welchem am Montagabend gut 200 Einsatzkräfte von Rettung, Feuerwehr und Polizei konfrontiert sind, ist anspruchsvoll. «So ein Unfall ist aber tatsächlich etwas, was passieren könnte. Darum proben wir es.»

Reporter werden zu Schauspielern

Zahlreiche Medienschaffende sitzen zusammen mit Krüsi im «Hotel Weisses Rössli» in Staad. Auch sie gehören zu der Übung mit dem Namen «Kormoran 2018». Sie haben kurz nachdem der Vorfall passiert, die Aufgabe, so rasch als möglich an Informationen zu kommen. So werden aus Reportern Figuranten, die die Polizei ebenfalls fordern.

Die Reporter werden in angrenzende Gemeinden geschickt. Dort ist ihr Startpunkt für die Übung. Als das geschehen ist, schwebt bereits schwarzer Rauch über dem Flughafen. Trümmerteile in Form von Benzinbädern liegen auf der Landebahn, Feuerwehr- und Polizeiautos brausen in Richtung Unfallstelle. Das einzige, was einen daran erinnert, dass es sich hier um eine Übung handelt, sind die fehlenden Sirenen. Diese kommen nicht zum Einsatz.

«Die können alle kein Englisch!»

Das grosse Chaos herrscht bereits vor dem Hundertwasserhaus, beim Abzweiger zum Flughafen. Die Strasse zum Flughafen ist gesperrt, Schauspieler versuchen, sich Zutritt zu verschaffen. Eine junge Frau ist augenscheinlich schwanger, weint und brüllt die Beamten an. Auf Englisch. Sie sei die Freundin eines Passagiers und sie sehe doch genau, dass da etwas nicht stimmt, sagt sie ganz aufgelöst. Sie will von den Verkehrspolizisten Antworten, Informationen. Sofort.

Die Beamten scheinen überfordert, können der Frau allerdings auf die Schnelle nicht helfen. «Wir brauchen selbst erst Informationen, bevor wir hier etwas machen können», sagt einer der Beamten und schaut die Schauspielerin mitfühlend an. Auch wenn es sich hier um eine Übung handelt, das Gefühl ist sehr echt. Schliesslich zieht sie verzweifelt von dannen und murmelt etwas, dass sich anhört wie: «Die können alle kein Englisch.» Auch diese Information wird Einfluss auf die Übungauswertung haben.

Auch im Innern des Geländes geht vorerst nichts in geordneten Bahnen. Wie sich herausstellen sollte, war das fiktive Flugzeug auf dem Rückweg aus Wien. Die Passagiere waren mehrheitlich Teilnehmer der Berufsweltmeisterschaft «World Skills». Viele Angehörige warten darum beim Flughafen auf ihre Liebsten und sind geschockt, als sie vom Unfall erfahren. Damit der Schock, den viele der Wartenden bei einem echten Unfall gehabt hätten, nicht unbehandelt bleibt, sind neben den Blaulichtorganisationen auch ein Care-Team der PEH, der psychologischen ersten Hilfe vor Ort.

Die Übung läuft weiter, die Journalisten dürfen das Gelände betreten und die Arbeit der Einsatzkräfte dokumentieren. Langsam wird es dunkler, blaues Blitzlicht erhellt den Abendhimmel. 200 Einsatzkräfte tummeln sich auf der Landebahn, immer wieder hört man Funksprüche aus den Geräten der vielen Feuerwehrmänner und -frauen, der Polizisten und Sanitätern der Rettung St.Gallen.

Die Übung ist beeindruckend: Ein Flugzeug der People's Viennaline steht quer auf der Landebahn, eine Maschine pumpt regelmässig Rauch aus dem Bereich der Reifen in den Himmel. Neben den brennenden Trümmerteilen liegen Koffer, Handtaschen oder Schuhe auf der Bahn.

«Müssen schauen, dass wir diese Übung in den Griff kriegen»

Mittlerweile ist die Rettungsaktion in vollem Gang. Hunderte Meter vor dem Flugzeug sind Zelte der Sanität, der Feuerwehr und der Polizei aufgebaut worden. An einem der zahlreichen Rapporte sagt der Gesamteinsatzleiter: «Wir müssen schauen, dass wir diese Übung in den Griff kriegen.»

Tatsächlich scheint nicht alles reibungslos zu laufen, so dass der Übungsleiter, Felix Helbling, später im Interview sagt: «Diese Übung war dringend notwendig.» Die Einsatzkräfte seien sich gewohnt, jeden Tag Ereignisse zu bewältigen. Diese hätten aber glücklicherweise nie eine solche Tragweite, wie dieses Szenario. «Das ist eine ganz andere Kiste, wenn man das so salopp ausdrücken darf», sagt Helbling. Er habe den Eindruck, dass die Einsatzkräfte genau wissen, was sie zu tun haben. Das sei eine gute Erkenntnis. Sein Kritikpunkt gilt allerdings dem Kader: «Mit der Übung wollten wir von den Kaderleuten sehen, dass sie auf einer anderen Stufe denken können und realisieren, dass der Koordinationsaufwand ein ganz anderer ist. Da haben wir noch Handlungsbedarf.»

Eine abschliessende Übungsanalyse steht noch aus. Stand Montagabend gab es mehrere «Verletzte», einige davon schwer. Ob es auch fiktive Todesopfer gegeben hat, ist noch nicht klar. Über eine Sache dürfen wir allerdings jetzt schon froh sein: Es war alles nur eine Übung.

(saz)

 

 

 

veröffentlicht: 11. September 2018 06:15
aktualisiert: 11. September 2018 08:20

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