Der Wind dringt durch jede noch so gute Jacke, der Himmel ist verhangen und der Wellengang unruhig. Trotzdem fährt das Boot hinaus zu der Fundstätte bei Güttingen. Iris Hutter, Archäologien beim Amt für Archäologie Thurgau, sagt: «Bei Regen ist die Sicht unter Wasser speziell gut.» Doch die Wellen wirbeln an diesem Tag den Untergrund auf.
Schon das dritte Mal untersucht das Amt für Archäologie den sogenannten Mäuseturm und Reste von Pfahlbausiedlungen. Der Mäuseturm, auch Burg Kachel genannt, besteht heute aus einigen Holzstücken, die unter Wasser im Grund stecken und mit Schlamm bedeckt sind. Die Überreste des Befestigungsbau liegen etwa 240 Meter vom Uferrand des Schlosses Güttingen entfernt. Es muss einst ein imposanter Bau gewesen sein.
Silberglöckchen mit Gesichtern verziert
Vor einigen Jahren fanden Forscher die Holzkonstruktion unterhalb der Wasseroberfläche. Holzpfähle, Keramikgeschirr und Lappenbeile zeugen von den Menschen, die einst in diesem Gebiet wohnten. Hutter schaut aufs Wasser hinaus und sagt: «Wir wissen sehr wenig über die Menschen, die hier lebten.» Anhand der gefundenen Objekte wollen sie mehr herausfinden. Klar ist, dass die Menschen auf dem heutigen Bodensee mit Keramikgeschirr gekocht haben und zudem einen Sinn für Ästhetik hatten. Als Beispiel hält Sutter ein mit Gesichtern verziertes Silberglöckchen in der Hand. «Diese Metallfunde gefallen mir ganz besonders», so Hutter.
Wissen wird weggespült
Zuerst waren sich Forscher sicher, dass der Turm im Mittelalter gebaut und genutzt wurde. Unterdessen vermutet Hutter anderes: «Neuste Funde zeigen, dass ein Teil der Konstruktion älter, nämlich römisch sein könnte.» Sicher ist das erst, wenn die Hölzer mit Hilfe einer Jahrringanalyse ausgewertet sind.
Das Boot hält beim Floss an. Nur wenige Meter daneben liegen die Stücke aus der Vergangenheit. Mehrere Hölzer, die vielleicht schon ein Römer in der Hand hatte, bringt ein Taucher zum Floss. Zuvor hat er das Holz aufwendig aus dem Schlamm befreit und abgesagt. Matthias Schnyder, Grabungstechniker, nimmt den Fund entgegen. Schnyder sagt: «Täglich schaffen wir ein Dutzend Hölzer an Land.» Denn sie wollen möglichst viel Material sichern und dokumentieren, bevor das Wissen weggespült wird. «Durch die Strömung werden Hölzer freigelegt und gehen kaputt.»
Noch bis Ende April werden die archäologischen Untersuchungen fortgesetzt. Es ist unklar, ob auch im nächsten Jahr wieder Taucher Objekte bergen. «Aus Erkenntnissicht würde es sich auf jeden Fall lohnen», sagt Hutter und steigt aus dem Boot an Land.Quelle: TVO