Ein Jahr lang stand der Name Laurent M. auf der Warteliste für eine Ausbildung zum Sommelier beim nationalen Gastronomieverband Gastrosuisse. Kurz vor der definitiven Anmeldung kam der Schock: «Gastrosuisse verbietet meinem Freund Laurent M., an der Ausbildung teilzunehmen», sagt seine Freundin Mélanie. Das Paar aus dem Thurgau will beruflich selbstständig werden und braucht dafür ein Diplom. «Wir wissen nicht mehr weiter, wir haben alles investiert und selber aufgebaut», sagt Mélanie.
Das Problem: Laurent M. ist nicht vollständig geimpft. Die erste Corona-Impfdosis hat er zwar bekommen, muss aber noch einen Monat warten, bis er sich ein zweites Mal impfen lassen kann. Seine Freundin Mélanie sagt dazu: «Für ihn wäre es selbstverständlich gewesen, während der Ausbildung eine Maske zu tragen und sich vorher testen zu lassen.» Für Gastrosuisse reichte das nicht, der Verband schloss Laurent M. aus der Weiterbildung aus. Für Mélanie unverständlich: «Bildung sollte doch für jede und jeden zugänglich sein, alles andere ist Diskriminierung.»
Gastrosuisse zeigt Verständnis
Der Leiter der Berufsbildung bei Gastrosuisse, Richard Decurtin, sagt auf Anfrage: «Ich habe ein gewisses Verständnis für die Situation von Laurent M., aber in der aktuellen Corona-Situation können wir nicht anders.» Bei den Weiterbildungen von Gastrosuisse hätten sich in den letzten Wochen viele Personen wegen der 2G-Regel wieder abgemeldet.
«Einige Kurse finden online statt, der Weindegustationskurs aber nicht», sagt Richard Decurtin. Sommeliers online auszubilden, sei nicht möglich. «Uns sind die Hände gebunden», fügt Decurtin hinzu. Bei Gastrosuisse finden im Moment nur jene Ausbildungen mit 3G statt, die eidgenössisch anerkannt sind. Alle anderen Weiterbildungen gelten als Kurse im Freizeitbereich. Damit gibt für diese Ausbildungen das Bundesamt für Gesundheit eine 2G-Pflicht vor.
«Ungeimpfte Personen müssen mit Konsequenzen rechnen»
«Grundsätzlich gilt, dass man sich impfen lassen sollte», sagt Mauro Moretto von der Gewerkschaft Unia, auf Anfrage. Viele Ausbildungen seien ausserdem als Onlineangebot nutzbar. «Wenn man sich nicht impfen lässt, dann muss man mit Konsequenzen rechnen. Das ist der Preis für die Normalität», fügt der Gastro-Verantwortliche der Unia hinzu.
Laurent M. und seine Freundin Mélanie haben bereits Konsequenzen gezogen: «Laurent lässt sich möglichst schnell ein zweites Mal impfen. Wir hoffen, er kann im Mai an der Ausbildung teilnehmen.»