Ostschweiz

Wolf: Die Ostschweizer Reaktionen auf die neuen Abschussbestimmungen

Tierschutz reagiert

«Unhaltbar» und «willkürlich»: Scharfe Kritik an einfachen Wolf-Abschüssen

03.11.2023, 08:05 Uhr
· Online seit 03.11.2023, 05:45 Uhr
Die Wölfe in der Schweiz werden durch gelockerte Abschussbestimmungen vermutlich stark reduziert. Während die Kantone Graubünden und St.Gallen die neuen Regeln begrüssen, fällt die Kritik von Umwelt- und Tierschutzorganisationen deutlich aus.
Nico Conzett

Quelle: TVO

Anzeige

Der Bund lockert die Abschussbestimmungen für Wölfe deutlich, mit den neuen Regeln könnten knapp zwei Drittel der über 300 aktuell in der Schweiz lebenden Tiere getötet werden.

Graubünden und St.Gallen begrüssen Entscheid

Die Bündner Regierung zeigte sich mit dem Beschluss, den Bundesrat Albert Rösti am Mittwoch verkündete, sehr zufrieden, obwohl es noch Fragezeichen bezüglich der langfristigen Finanzierung der Wolfsregulierung gibt (FM1Today berichtete). Alle zwölf Rudel im Kanton werden überprüft, der Abschuss ganzer Rudel gilt als wahrscheinlich, auch wenn die Erfahrungswerte, ob dies überhaupt möglich ist, noch fehlen. Dies erklärte die Bündner Regierungsrätin Carmelia Maissen an einer Medienkonferenz am Mittwoch im Anschluss an jene des Bundes.

Auch der Kanton St.Gallen begrüsst die neuen, lockeren Abschussbestimmungen, wie das «SRF-Regionaljournal» berichtete. Im Gegensatz zu Graubünden lebt in St.Gallen nur ein Rudel, jenes im Calfeisental. Dieses steht jedoch ebenfalls seit längerem im Visier der Behörden, da es im Sommer durch Nutztierrisse auffiel. Ob mit den neuen Regelungen mehr Tiere als ursprünglich geplant geschossen werden, ist noch offen.

Scharfe Kritik von Umweltorganisationen

Während sich Behörden erfreut zeigen, sieht die Stimmungslage bei Umwelt- und Tierschutzverbänden diametral anders aus. Bereits am Mittwoch teilte die Gruppe Wolf Schweiz in einem gemeinsamen Communiqué mit Umweltschutzorganisationen wie dem WWF mit, dass die neuen Bestimmungen «wider jeglicher Logik, willkürlich, widersprüchlich und faktenfrei» seien.

Mila Yong, Geschäftsführerin des WWF Appenzell und verantwortlich für Wildtiere in der Ostschweiz, teilt diese Einschätzung und sagt gegenüber FM1Today: «Der Entscheid des Bundesrats ist nicht wissenschaftlich nachvollziehbar und unhaltbar. Ich weiss nicht, wie man darauf kommt.»

Insbesondere die Minimalzahl von zwölf Rudeln in der Schweiz wirft für Yong Fragezeichen auf. «Diese Zahl ist willkürlich.» Bisher habe man Abschüsse stets im Verhältnis zum Schaden, den einzelne Wölfe oder Rudel verursachen, vorgenommen. Sie führt aus:

In dieselbe Kerbe schlägt Julika Fitzi, Präsidentin des Tierschutzvereins der Stadt St.Gallen, gegenüber TVO: «Das Vorgehen ist harsch und ungünstig. Es geht nicht mehr ums Herausfiltern der Wölfe, die Probleme machen. Stattdessen werden wohl auch Wölfe zum Abschuss freigegeben, ohne dass man nachprüft, ob diese überhaupt schon auffällig waren und beispielsweise Nutztiere gerissen haben.»

Gefahr für den Menschen: «Reine Angstmacherei»

Fitzi stösst zudem insbesondere ein Argument sauer auf, das Bundesrat Albert Rösti angeführt hat: Dass der Wolf zur Gefahr für den Menschen wird. «Das ist reine Angstmacherei, das geht gar nicht.» Der Mensch passe überhaupt nicht in das Beuteschema des Wolfes und könne nur bei Tollwut oder wenn er wegen Fütterungen durch Menschen die Scheu komplett verliere, tatsächlich gefährlich werden. Nichts davon passiere in der Schweiz, so Fitzi.

WWF prüft rechtliche Schritte

Womöglich ist das letzte Wort bezüglich der neuen Bestimmungen aber noch nicht gesprochen. Der WWF moniert in der Stellungnahme, welche er vor dem Beschluss zusammen mit weiteren Umweltschutzorganisationen gegenüber dem Bundesamt für Umwelt abgeben konnte, dass das geplante Vorgehen rechtlich höchst fragwürdig sei. Es gehe nicht um eine wie im Gesetz vorgegebene präventive Regulierung, sondern vielmehr darum, die Möglichkeit zu schaffen, den Wolfsbestand massiv «zusammenschiessen» lassen zu können.

Auch der Volkswille werde missachtet, heisst es in der Stellungnahme: «Mit der noch viel weiter gehenden Regulierung widerspricht der neue Entwurf auch dem Volkswillen und verhöhnt die Mehrheit des Stimmvolkes.» 2020 hatte sich die Schweizer Stimmberechtigten gegen eine Verschärfung des Jagdgesetzes ausgesprochen, welche den Abschuss von Wölfen schon damals vereinfacht hätte.

Da die neue Verordnung weit von den gesetzlichen Bestimmungen entfernt sei, prüft der WWF aktuell rechtliche Schritte, wie Mila Yong bestätigt. «Klar ist zudem, dass wir weiterhin jedes eingereichte Abschussgesuch auf seine Korrektheit nachprüfen werden», so Yong.

Es dürfte eine Menge Arbeit auf die Umwelt- und Tierschutzorganisationen zukommen.

veröffentlicht: 3. November 2023 05:45
aktualisiert: 3. November 2023 08:05
Quelle: FM1Today

Anzeige
Anzeige