Mit dem Verlagerungsbericht gibt der Bundesrat Rechenschaft darüber ab, inwiefern er das Verlagerungsziel von maximal 650'000 Lastwagenbewegungen über die Alpen umsetzt. Wie in den Vorjahren wurde das Ziel auch 2020 weit verfehlt.
Mit 863'000 Lastwagenbewegungen lag der Wert über 30 Prozent über der erlaubten Schwelle. Per Ende 2021 ist auf der Strasse mit ähnlich vielen alpenquerenden Fahrten schwerer Güterfahrzeuge zu rechnen, wie es im neusten Bericht heisst, der am Donnerstag veröffentlicht wurde.
Der Bundesrat spricht dennoch von «weiteren Fortschritten» in den vergangenen Jahren. Der Anteil der Schiene sei auf den höchsten Stand seit 25 Jahren gestiegen. Dies zeige, «dass die Instrumente und Massnahmen der Verlagerungspolitik greifen». Zu diesen gehörten die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (Neat), die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) und die Bahnreform.
Rollende Landstrasse bis 2028
Um die Lastwagentransporte durch die Alpen weiter zu reduzieren, will der Bundesrat dennoch zusätzliche Massnahmen ergreifen. Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) soll beispielsweise bis Mitte 2023 darlegen, wie die LSVA weiterentwickelt werden soll.
Sie strebe «eine schrittweise Neuorientierung der LSVA gemäss CO2-Ausstoss der Fahrzeuge» an, schreibt die Landesregierung. Zudem solle geklärt werden, wie lange Fahrzeuge mit alternativen Antrieben wie Strom oder Wasserstoff von der Schwerverkehrsabgabe befreit bleiben sollen.
Ansetzen will der Bundesrat auch bei der Rollenden Landstrasse (Rola). Mit diesem System werden pro Jahr zwischen 80'000 und 90'000 ganze Lastwagen auf der Schiene transportiert. Die Ende 2023 auslaufende Finanzierung soll laut Bundesrat bis 2028 verlängert werden. Er rechnet mit Ausgaben von jährlich 20 Millionen Franken. Ende 2028 soll die Rola dann eingestellt werden.
Weniger Gefahrguttransporte auf der Strasse
Mit dem nächsten Verlagerungsbericht will der Bundesrat zudem analysieren, wo es entlang des Nord-Süd-Korridors ungenutztes Verlagerungspotenzial gibt. Die Prüfung von neuen Schienenanschlüssen für den Binnen-, Import- und Exportverkehr wird auch in verschiedenen parlamentarischen Vorstössen gefordert.
«Der Bund setzt sich zudem dafür ein, dass bei Baustellen entlang der Neat-Zulaufstrecken genügend Umleitungskapazitäten geschaffen werden», schreibt der Bundesrat weiter. Diese Strecken müssten auf zeitgemässe Zuglängen und -gewichte ausgerichtet werden.
Schliesslich will der Bundesrat bei der Verkehrssicherheit ansetzen. Rund 11'000 Lastwagen jährlich transportieren Gefahrgut durch ein Naturschutzgebiet über die Simplonpassstrasse. Der Bundesrat wies die Walliser Regierung und die chemische Industrie in den Verlagerungsberichten von 2017 und 2019 an, diese Transporte zu reduzieren. Bis Ende 2022 will der Bundesrat diese Selbstregulierung beobachten und danach über das weitere Vorgehen entscheiden, wie er schreibt.
Alpen-Initiative fordert Taten
Ob das den Umweltschützern reicht, ist offen. Die Alpen-Initiative hatte sich bereits im Vorfeld der Veröffentlichung des neusten Verlagerungsberichts bemerkbar gemacht und vom Bundesrat «endlich Taten statt Worte» gefordert. Es handle sich um «Klimaschutz avant la lettre», schrieb der Verein zum Schutz des Alpengebiets.
Die von ihm lancierte Volksinitiative «zum Schutze des Alpengebietes vor dem Transitverkehr» war im Jahr 1994 durch Volk und Stände angenommen worden. Später verabschiedete das Parlament auf der Grundlage des neuen Verfassungsartikels ein Gesetz, dessen Zielwert spätestens 2018 hätte umgesetzt werden sollen.
«Es gibt kein Gesetz, das in der Schweiz derart massiv mit Füssen getreten wird wie das Verlagerungsgesetz», kritisiert die Alpen-Initiative. Sie will insbesondere die Lastwagenbranche mit einer LSVA-Erhöhung verstärkt in die Pflicht nehmen. Zudem fordert sie ein komplettes Verbot der Gefahrguttransporte über den Simplon.