Der diesjährige Oktober ist auch der Black History Month in Europa. In den USA und Kanada wird der Black History Month bereits seit 1926 gefeiert – zunächst als Black History Week. Damit sollen die Geschichte, Kultur und Errungenschaften der Schwarzen Menschen in den Fokus gesetzt und gewürdigt werden. Auch die ETH Zürich erinnert an die Schwarze Geschichte und bietet dazu Online-Kurse an.
Diese Workshops sind dabei speziell an Menschen gerichtet, die sich mit den Themen Anti-Rassismus und Rassismus auseinandersetzen wollen. Damit sind die Veranstaltungen an Menschen gerichtet, die von Rassismus betroffen sind und die, welche keine Erfahrung mit Rassismus gemacht haben. «Da die Diversitätsstelle der ETH Zürich den Auftrag hat, ETH-Mitglieder für alle Fragen der Diversität zu sensibilisieren, hat sie sich dieses Jahr dafür entschieden, Veranstaltungen zum Black History Month anzubieten», sagt Franziska Schmid, Mediensprecherin der ETH Zürich. «Dazu soll auch ein offener Austausch ermöglicht werden. Das ist das Ziel dieser Veranstaltungen.»
Kurs nur für Personen, die sich als Weiss definieren
Zu einem der drei Kurse «How could I have acted» sind nur Personen eingeladen, die sich selbst als Weiss definieren. Dies stösst auf der Online-Plattform «reddit.com» einigen Usern auf und wird zuweilen recht kontrovers diskutiert. So sind einige User mit dem Angebot zufrieden und begrüssen es, während andere von einem Beigeschmack der Apartheid sprechen und es Rassismus durch die Hintertüre nennen. Viele fragen sich, was es denn bedeuten würde, sich als weiss zu definieren. Oder dass die Hautfarbe niemals ein Kriterium für eine Teilnahme sein solle. Wiederum andere sind froh, ihren Abschluss an der ETH Zürich bereits in der Tasche zu haben.
Auf die Frage, warum nur Personen zu diesem Kurs eingeladen werden, die sich selbst als weiss lesen, sagt Schmid: «Das Konzept der Allyship (im Sinne von Verbündete), kennt man auch aus anderen Kontexten — Männer, die sich für feministische Anliegen einsetzen — und die Erfahrungen zeigen, dass sich Diskussionen anders entwickeln, wenn direkt Betroffene anwesend sind.» Es handle sich dabei um ein Pilotprojekt, um Erfahrungen sammeln zu können. Demnach können nach der Auswertung auch noch Anpassungen vorgenommen werden, so die ETH-Sprecherin.
Sie betont, dass die Teilnehmenden ihre Erfahrungen frei und in einem geschützten Raum teilen sollen, ungeachtet von negativen Konsequenzen, Zuschreibungen und vor allem einer möglichen Re-Traumatisierung. «Menschen, die selbst keinen Rassismus erleben, sich aber für das Thema interessieren und sich gegen Rassismus engagieren wollen, sollen damit sensibilisiert und informiert werden.» Beim Thema Respekt stehen alle im Fokus. «Jedes Mitglied der ETH hat die Möglichkeit, einen Punkt zu machen und in unangemessenen Situationen eingreifen zu können, wenn Grenzen des gegenseitigen Respekts überschritten werden.» Wie das in Bezug zu Rassismus aussehen kann, soll in dem Workshop behandelt werden.
Allerdings könne sie auch den Unmut im Netz verstehen. «Kontroverse Themen — und dazu gehören auch Diversitätsthemen — stossen auf Social Media immer auf Ablehnung und auf Zuspruch», sagt sie. Das liege in der Natur der Sache und sollte wohl auch nicht überbewertet werden. «Konstruktive Kritik nehmen wir aber sehr ernst, weil sie uns hilft, unsere Arbeit zu verbessern.» Bislang waren die Rückmeldungen meist positiv. «Die Tatsache, dass die Kurse sehr schnell ausgebucht waren und es bereits eine Warteliste gibt, zeigen, wie gross das Interesse daran ist», gibt Franziska Schmid weiter an.
Warum können diese Kurse durchaus wichtig sein?
«Grundsätzlich ist es positiv, dass sich die ETH mit diesen Themen auseinandersetzt und auch Kurse dazu anbietet», erklärt Alma Wiecken, Geschäftsführerin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus. Auf der Website der ETH Zürich steht bei den Kursen nicht «nur für Weisse» oder «nur für BIPoC (Black, Indigenous, and People of Color)», sondern für alle, die sich selbst, entweder als weiss oder als BIPoC definieren, und das ist ein wichtiger Punkt. «Hier geht es darum, wo ich mich einordne, die Grenzen sind fliessend», fügt Wiecken an. «Rundum können solche Kurse sicherlich das Bewusstsein schaffen und sowohl Betroffene als auch Nicht-Betroffene sensibilisieren, sich in andere Positionen zu versetzen und Empathie zu schaffen», sagt Giorgio Andreoli, Gründer von gggfon aus Bern.
«Das Thema Rassismus muss auch in der Schweiz angegangen werden.» Die Sozialberatung in Bern richtet sich vor allem an Rassismus-Betroffene. «Wir haben in den letzten Jahren auch vermehrt Meldungen erhalten, die Zahlen steigen an.» Das sei aber auch der Arbeit und Ausrichtung der Beratung geschuldet, so Andreoli. Zudem spiele auch die Geschichte der Schweiz und die Migrationsgeschichte eine grosse Rolle. «Das kann nicht einfach mit den USA gleichgesetzt werden. Die jeweilige Historie unterscheidet sich deutlich.
Dass die Online-Community darauf reagiere, sei nicht erstaunlich, so Wiecken. Das Thema Rassismus und wie Rassismus entgegengewirkt und wie darauf sensibilisiert werden kann, ist seit einiger Zeit ein beliebtes Thema für Kontroversen. «In diesen Kursen geht es vor allem um Zivilcourage und auch das Hinterfragen meiner eigenen Position in einer Gesellschaft, in der rassistische Strukturen bestehen», so Alma Wiecken. Ausserdem sei es nichts Neues, dass sich Gruppen mit unterschiedlichen Erfahrungen treffen und sich zunächst untereinander austauschen und ihre Perspektiven diskutieren. «Das ist nicht nur im Bereich Rassismus so.»
Räume schaffen ist wichtig, ein Austausch aber noch wichtiger
Laut Alma Wiecken sollte dazu auch immer der Kontext in Betracht gezogen werden. «Wenn ich beispielsweise einen Workshop für Opfer von häuslicher Gewalt anbiete, ist es logisch, dass Personen angesprochen sind, die von häuslicher Gewalt betroffen sind und nicht Personen, die das nicht sind.» Ähnlich sei das auch bei den Workshops an der ETH. Deswegen werden auch zwei Kurse angeboten. Zum einen eben für Personen, die von Rassismus eher nicht direkt betroffen sind und zum anderen für Menschen, die potenziell mit Rassismus konfrontiert sind
Dort sollen Räume geschaffen werden, die einen Austausch ermöglichen. Allerdings sei es auch wichtig, diese beiden Gruppen zusammenzuführen und einen gemeinsamen Raum zu schaffen, in dem alle zu Wort kommen und gehört werden, berichtet Wiecken weiter. Die Rückmeldung der Kurs-Teilnehmenden wird evaluiert und für künftige Angebote berücksichtigt, wie ETH-Sprecherin Franziska Schmid ausführt. Jedoch sei für dieses Mal kein Austausch zwischen den Kursen vorgesehen.