Marco Sieber – salopp gefragt, fühlen Sie sich jetzt schon wie ein richtiger Astronaut?
Schon noch nicht ganz. Ein Astronaut ist man aus meiner Sicht erst richtig, wenn man einmal ins All geflogen ist. Und das dauert bei mir sicher noch ein bisschen, da braucht es noch viel Training. Aber es fühlt sich sicher schon gut an.
Astronaut zu werden ist für viele ein «Bubentraum». War das bei Ihnen auch so?
Das war schon ein Bubentraum, aber auch Dinosaurierforscher stand ziemlich hoch auf der Liste. Während meines Studiums habe ich gesehen, dass es wirklich möglich ist, sich als Europäer oder als Schweizer zu bewerben. Dann war ich richtig motiviert, das zu machen.
Hat Ihnen bei der Ausbildung etwas besonders gefallen?
Die ganze Ausbildung war für mich ein einziges Highlight. Bemerkenswert waren sicher die Leute, also alle Trainer und Instruktorinnen, aber auch die «Klassengspändli». Das war wirklich ein toller Teamgeist, da gab es sehr viele schöne Momente. Und sonst hatten wir sehr viele spannende Vorlesungen. Astronomie hat mich zum Beispiel sehr fasziniert. Oder dann auch die praktischen Kurse wie das Tauchen und die Parabelflüge, das waren Highlights für mich.
Apropos Teamgeist: Gab es kein Konkurrenzdenken?
Das haben viele gefragt, aber nein, das war bei uns überhaupt nicht der Fall. Solange man die Ausbildung besteht, genügende Noten hat und Leistungen erbringt, ist man im Rennen, um für eine Weltraummission ausgewählt zu werden. In diesem Sinne ist es also nicht leistungsabhängig, sondern eine Entscheidung des Generaldirektors, welche Fähigkeiten und Hintergründe es im Moment braucht. Da die Auswahl nicht direkt von unseren Leistungen abhängt, gab es auch keinen Konkurrenzkampf.
Hat es auch Dinge gegeben, die Sie in der Ausbildung zum Astronauten nicht erwartet hätten?
Ja und nein. Zum Beispiel hatten wir ein Training für soziale Medien. Im Nachhinein ist es eigentlich logisch. Man muss dort aktiv sein und versuchen, die Raumfahrt populär zu machen.
Aber es war mir zuerst nicht klar, dass man als Astronaut verstehen muss, wie das funktioniert und wie man es nutzen kann. Das fand ich spannend.
Per Funkgerät können Hobby-Funker mit der Internationalen Raumstation ISS in Kontakt treten. Ist Funktechnik auch ein Teil der Ausbildung?
Grundsätzlich lernen wir eigentlich jedes System von der ISS kennen, auch den Funk. Bis jetzt hatten wir es aber noch nicht. Wir haben gelernt, was es alles gibt, aber nicht genau, wie es funktioniert. Aber ja, das Funken ist ein wichtiger Teil zur Kommunikation mit Bodenstationen oder auch mit Hobbyfunkern.
Mit Blick auf die künftige Reise in den Weltraum – gibt es etwas, wovor Sie Angst haben?
Es ist schon eine grosse Verantwortung und birgt auch ein gewisses Risiko, aber diesen Ingenieuren und Leuten, die das entwickelt haben, kann man voll vertrauen. Die Raumfahrt ist in der letzten Zeit viel sicherer geworden. Angst habe ich nicht, aber sicher den nötigen Respekt, das auf alle Fälle.
Wann ist der erste Flug zur Internationalen Raumstation ISS geplant?
Für unsere Klasse sind Flüge zwischen 2026 und 2030 vorgesehen.
Müssen Sie als Astronaut jetzt vorsichtiger sein? Hat das Auswirkungen aufs Privatleben?
Ja, ich bin sicher vorsichtiger geworden, aber ich verzichte nicht auf alle meine Hobbys. Ich glaube, einen Ausgleich braucht man ja.
Aber es kommt sicher noch auf die Phase an. Falls ich bald für eine Mission ausgewählt werden sollte, würde ich auf das Skifahren verzichten. Denn dann wäre es richtig blöd, wenn man sich etwas bricht.
Aber solange man nicht für eine Mission ausgewählt ist, hat man mehr «Spatzig».
Was ist das grösste Ziel? Irgendwann zu einem anderen Planeten zu reisen?
Ich blicke jetzt primär auf diese Mission zur ISS. Das ist unglaublich spannend und sehr komplex. Da muss ich noch sehr viel lernen, bis ich dazu fähig bin.
Aber klar, viele meiner Kolleginnen und Kollegen träumen von einem Flug zum Mond, und ich natürlich auch. Aber ob das Realität wird, ist im Moment schwierig abzuschätzen. Ich hoffe, dass ich noch lange als Astronaut tätig bleiben kann und dass sich hoffentlich eine Chance ergibt.
Und wie geht jetzt euer Programm weiter?
Ganz konkret weiss ich es noch nicht, ausser dass wir jetzt zwei Wochen Ferien haben, um uns etwas von diesem Jahr zu erholen. Und dann geht es weiter mit dem sogenannten «Pre-Assignment-Training».
Ein Teil der Ausbildung findet noch in Houston in Amerika statt. Bevor ich auf die ISS fliegen kann, muss ich noch zwei Jahre dahin. Dort geht es etwa um «Spacewalk»-Trainings, wo man lernt, sich ausserhalb der Raumstation zu bewegen. Das wird in einem riesigen Pool gemacht.
Wie hat das Privatleben neben dieser Ausbildung noch Platz?
Bis jetzt ging das gut, ich hatte mehr oder weniger normale Arbeitszeiten. Es sind sicher bessere Arbeitszeiten als davor als Assistenzarzt, und am Wochenende habe ich häufig frei. So hatte ich schon Zeit, um Freunde zu treffen und die Familie zu sehen.
Die Zusammenarbeit mit den russischen Weltraumbehörden ist jetzt wohl nicht mehr so eng. Welche Sprachen sind als Astronaut besonders relevant?
Die Zusammenarbeit ist sicher viel eingeschränkter als früher. Aber Russisch müssen wir trotzdem noch lernen, denn die Raumstation ist halb amerikanisch/international und halb russisch. Oben ist man dann ein Team und eine Crew. Ohne die Zusammenarbeit würde es die Raumstation nicht geben – oder die Sicherheit wäre nicht gewährleistet.
Es gibt auch Trainings mit unseren russischen Kollegen. Aber da diese nicht mehr so lange sind, werden wir sicher auch weniger fliessend Russisch sprechen lernen als noch unsere Vorgänger.
Worauf freuen Sie sich im Weltraum am meisten?
Sicher auf den Moment, wenn man die Erde von oben sieht. Das haben sehr viele Leute als extrem emotionalen Moment beschrieben. Darauf bin ich am meisten gespannt.
Aber auch sonst freue ich mich einfach, in dieser Umwelt zu leben und zu arbeiten und die extrem spezialisierten wissenschaftlichen Experimente zu bedienen. Da gibt es so viel Spannendes, das dort erforscht wird.
Falls Sie überhaupt noch zum Lesen kommen – Science-Fiction, Fantasy oder lieber ein Sachbuch?
Zum Bücherlesen komme ich tatsächlich nicht so viel. Ich musste natürlich viel lernen und bin etwa Vorlesungen erneut durchgegangen.
Aber ich höre viele Audio-Bücher oder Podcasts. Und die letzten habe ich – weil wir Russisch lernen müssen – versucht, auf Russisch zu hören.
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