Da hilft auch ein Royal Flush oder eine 21 im Blackjack nichts – schlussendlich gewinnt immer die Bank. Alleine im Onlinegeschäft der Schweizer Casinos haben Spielerinnen und Spieler 2023 über 285 Millionen Franken verloren. In den fixen Casinostandorten sind es sogar über 620 Millionen Franken. Immerhin fliesst ein Teil der Einnahmen durch Spielbankenabgaben in die AHV und in die Lotteriefonds der Kantone. Nicht so bei den Onlinecasinos mit Sitz im Ausland. Diese verfügen über keine Schweizer Konzession, ihre Angebote sind illegal.
Gegen solche illegalen Anbieter klagt eine österreichische Firma. Das Ziel? Das an illegale Casinos verlorene Geld zurückfordern. Klingt komisch? Ist aber so – und funktioniert. In Österreich hat man damit bereits Erfolg, wie Ronald Mechtler, Geschäftsführer der R. M. Prozessfinanzierung GmbH mit Sitz in Wien, erklärt. Über www.meinprozess.com hilft die Firma Personen bei der Rückforderung von Verlusten aus illegal angebotenen Glücksspielen. Zurückgefordert werden die Einzahlungen an das Casino abzüglich der Auszahlungen des Casinos an die Spieler.
So funktioniert die Rückforderung
«In Österreich haben wir seit 2021 über 40 Millionen Euro eingeklagt», sagt der Geschäftsführer Ronald Mechtler. «Mit unseren Partnern, die das schon einige Jahre länger machen, kommt noch einmal das Doppelte dazu.» Das funktioniert folgendermassen: Wer bei einem illegalen – also nicht konzessionierten – Online-Casino Geld verloren hat, kann sich bei «meinprozess.com» melden. Dort wird der jeweilige Fall angeschaut und eingeschätzt, wie die Erfolgsaussichten einer Rückforderung sind. Danach wird eine Anwaltskanzlei mit dem weiteren Vorgehen beauftragt.
Für die Geschädigten fallen dabei keine Kosten an. Die R.M. Prozessfinanzierung GmbH übernimmt – wie der Name vermuten lässt – die Prozessfinanzierung. Bei einem Erfolg gibt es für die Firma einen Teil des zurückgewonnenen Betrags – in Österreich sind das zwischen 35 und 40 Prozent, in der Schweiz liegt dieser Anteil aktuell bei 45 Prozent, «da es noch keine rechtskräftigen Urteile gibt», wie Mechtler erklärt. «Wenn der Prozess nicht erfolgreich ist, tragen wir die gesamten Kosten.»
In unserem östlichen Nachbarland scheint dieses System zu funktionieren. «In Österreich finden seit Jahren Tausende von Klagen statt und mittlerweile ist die Rechtslage klar. Das heisst, die Verfahren werden zu 99 Prozent in Österreich gewonnen, weil schon klar ist, dass illegales Glücksspiel angeboten wurde», sagt Ronald Mechtler. Das Geld werde nach dem Urteil dann entweder freiwillig zurückbezahlt, oder das Verfahren wechselt in die Länder, wo die Spielanbieter ihren Firmensitz haben und wird dort als Zwangsvollstreckung umgesetzt. Im Falle eines Vergleichs würden die Casino-Betreiber bis zu 90 Prozent des Betrags zurückzahlen.
Je nach Land ist so eine Geldeintreibung aber unterschiedlich erfolgreich. In Malta ist eine solche Klage etwa besonders schwierig: Im Juni 2023 wurde auf der Mittelmeerinsel das sogenannte «Bill 55»-Gesetz beschlossen, wodurch ausländische Urteile gegen die dort dominante Glücksspielindustrie nicht anerkannt und vollstreckt werden können.
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Über 150 Millionen Franken fliessen an illegale Casinos
Mit diesem Prozessfinanzierungssystem will Ronald Mechtler nun in die Schweiz expandieren. Denn auch hier verlieren Spielerinnen und Spieler Geld und das nicht zu knapp. Illegale Casinos haben in der Schweiz weiterhin einen Marktanteil von 40 Prozent, wie der Schweizer Casinoverband im Geschäftsbericht 2023/2024 schreibt: «Herr und Frau Schweizer verspielen jedes Jahr 180 Millionen Franken unkontrolliert im Ausland. Die illegalen Anbieter unterlaufen den Schweizer Spielerschutz und bezahlen keine Abgaben an die AHV.»
Auch Mechtler sieht in der Schweiz hohe Verluste durch illegale Casinos – und Chancen auf Rückzahlungen. In Österreich liege der durchschnittliche Verlust pro Person bei rund 80'000 bis 90'000 Euro. «Wir haben festgestellt, dass in der Schweiz ein anderes Preisniveau herrscht. Hier liegen die Durchschnittsverluste deutlich höher», so der Geschäftsführer der Prozessfinanzierungsfirma. Vor einem Jahr habe das Unternehmen in der deutschsprachigen Schweiz eine Testkampagne durchgeführt, um zu schauen, wer sich dafür interessiert. Innerhalb von zwei Wochen ist dabei ein Klagevolumen von 10 Millionen Euro zusammengekommen. Davon stamme zwei Drittel von illegalen Casinos, welche beklagt werden könnten.
So geht es jetzt weiter
Doch lässt sich dieses System nicht ausnutzen? Also Geld bei illegalen Casinos verspielen und diese Verluste dann immer wieder zurückfordern? «Dieser Gedankengang ist zu kurz gedacht», sagt Mechtler. «Es zahlen nicht alle Anbieter zurück und wir haben in den letzten Jahren etliche taktische Konkursmeldungen gesehen. Man kann nichts mehr zurückfordern, wenn ein Firmenstandort taktisch in Insolvenz getrieben wird. Es gibt also nie eine hundertprozentige Garantie, dass diese Verluste auch zurückkommen. Ein Prozess kann sich zudem hinziehen – wir haben Fälle, die seit mehreren Jahren offen sind.» Zu spielen, zu verlieren und auf automatische Rückzahlung zu spekulieren, ist also keine gute Idee. Es gehe mit den Rückforderungen primär darum, es für die Casinos unrentabel zu machen, Suchtverhalten von Spielern auszubeuten, so Mechtler.
Am vergangenen Donnerstag wurde in Bern eine Hürde im ersten Schweizer Rückforderungsprozess der österreichischen Firma genommen: Das Obergericht hat den Prozess nicht abgewiesen und er wird weitergeführt. Ein Urteil wird aber erst in einigen Monaten erwartet.
Neben dem Prozess, der in Bern läuft, gibt es noch «eine handvoll Fälle» in der Schweiz, wie Ronald Mechtler durchblicken lässt. Die Prozessfinanzierungsfirma sei aber «jederzeit bereit» für weitere Fälle.