Die Ethereum-Blockchain hat gestern Donnerstag einen seit langem erwarten Wechsel auf ein massiv stromsparenderes Absicherungsverfahren vollzogen. Nach Angaben der Ethereum-Stiftung soll der Stromverbrauch der nach Bitcoin zweitwichtigsten Kryptowährung damit um nicht weniger als 99,95 Prozent sinken. Ethereum verbrauchte laut «Standard» vor der Umstellung so viel Strom wie Chile und erzeugte pro Jahr 43 Millionen Tonnen Kohlendioxid.
Bitcoin und andere Kryptowährungen stehen wegen ihres massiven Strombedarfs in der Dauerkritik. Mit dem Wechsel vom energiehungrigen «Proof-of-Work» (PoW)-Sicherungsverfahren zum ungleich energieeffizienteren «Proof-of-Stake» (PoS) nimmt jetzt zumindest Ethereum dieser Kritik den Wind aus den Segeln.
Problemlose Umstellung
Nach Jahren der Ankündigung und nach Monaten der Vorbereitung ist die unter der Bezeichnung «The Merge» laufende Umstellung ohne Probleme abgelaufen, wie auch Marcus Dapp, Head of Research beim Zuger Krypto-Dienstleister Bitcoin Suisse, bestätigt. Die grösste Gefahr sei wohl der Moment der Umstellung gewesen – dass etwa die neuen Blöcke in der Blockchain nicht geschrieben würden. Das sei aber nicht passiert: «Eigentlich war es fast ein Nicht-Ereignis.»
Im «PoS»-Verfahren wird die Sicherheit und Unveränderlichkeit der Blockchain nicht mehr von «Krypto-Minern» sondern von Validatoren mit einem finanziellen Einsatz («Stake») im Netzwerk garantiert. Es wird heute in diversen Varianten bereits von weiteren Blockchains angewendet, darunter von den Ethereum-Konkurrenten wie Solana oder der BNB-Blockchain von Binance.
Abspaltung möglich
Die nun erfolgte Umstellung könnte allerdings zu einer neuen Spaltung («Fork») der Ethereum-Blockchain führen. Eine Reihe von bisherigen Ethereum-Minern, die unter dem neuen Verfahren nun ihre bisherige Ausrüstung nicht mehr einsetzen können, hatten im Vorfeld die Abspaltung eines «Proof-of-Work-Ethereum» (ETHPoW) angekündigt: Dieser solle offenbar innert 24 Stunden nach dem «Merge» stattfinden. Jeder Besitzer der Ethereum-Währung Ether käme dann in den Besitz gleich vieler «ETHPoW-Token».
Eine solche Abspaltung bei wichtigen Regeländerungen ist nicht unüblich: Sie sei die Folge davon, wie die Kryptowelt funktioniere, sagt Bitcoin-Suisse-Experte Dapp. Wenn es keine Einigung gebe, könnten die Miner mit den Regeln weitermachen, die sie für richtig erachteten: «Dann wird der Markt entscheiden.» Ob und welchen Wert die neuen ETHPoW-Token haben werden, muss sich entsprechend zeigen.
Bitcoin wird nicht folgen
Mit der Umstellung von Ethereum dürfte wohl auch der gesellschaftliche Druck auf Bitcoin steigen, dem immer wieder ein Energieverbrauch eines kleineren Landes nachgesagt wird. «Wenn nun in den Medien von der Ethereum-Umstellung gelesen wird, wird die Frage gestellt werden, warum Bitcoin nicht auch auf Proof-of-Stake umstellen kann», sagt auch Dapp.
Dennoch sei nicht zu erwarten, dass auch Bitcoin eine solche Umstellung in den kommenden Jahren vornehmen werde. Dazu sei das «Proof-of-Stake»-Verfahren noch zu sehr umstritten - zwar nicht bezüglich des Energieverbrauchs aber bezüglich der Sicherheit des Gesamtsystems. «Es gibt keine unumstrittene Aussage, dass das eine Verfahren sicherer als das andere ist», so der Krypto-Experte.
Gleichzeitig sei auch das Anwendungsfeld von Bitcoin ein anderes als dasjenige von Ethereum. Bitcoin verstehe sich weiterhin als ein «zensurresistentes Geld», das auch Angriffen selbst von Staaten standhalten soll. «El Salvador hat sich ja für Bitcoin als Währung und nicht für Ether entschieden.» Ethereum sei dagegen in erster Linie ein Ökosystem, das dezentrale Anwendungen aus Bereichen wie «Decentralised Finance» (DeFi) oder «Non-Fungible-Tokens» (NFT) ermöglicht.
(sda/osc)