Quelle: CH Media Video Unit / Melissa Schumacher
Das Müller-Reformhaus ist ohne Zukunft ins neue Jahr gestartet. Am Dienstag fand schweizweit der letzte Verkaufstag statt. Der Verwaltungsrat der Reformhaus-Kette meldete den Konkurs der Gesellschaften Müller Reformhaus Vital Shop AG und Natural Power Distribution AG an. Betroffen sind fast 40 Standorte und gegen 300 Mitarbeitende.
Mischa Felber, Geschäftsführer des Familienunternehmens Reformhauses Müller, drückte am Dienstag gegenüber CH Media Radio News sein «grösstes Bedauern» aus. Dieses gelte insbesondere den Angestellten, der Kundschaft und den Partnern, die das Unternehmen begleitet hätten.
Preis habe sich als wichtigstes Verkaufskriterium herauskristallisiert
Felber berichtet, dass das Reformhaus 2019 eine Vorwärtsstrategie gewählt habe, nachdem die Kundenfrequenzen seit 2016 bis zu 50 Prozent rückläufig gewesen seien. «Im ersten Pandemiejahr konnten wir diese Tendenz stoppen. Aber durch die Abfolge der Krise hat sich das Problem leider weiter verschärft.» Irgendwann könne man als Familie nicht mehr weitermachen, sodass sie sich zu diesem Schritt habe entscheiden müssen. «Das Bedauern wiegt am stärksten im Moment.»
Die Entwicklungen auf dem Bio-Markt machten dem Familienunternehmen zu schaffen. In der Schweiz betrage der Bioumsatz ausserhalb des Fachhandels 96 Prozent, sagt Felber. «Es hilft uns nicht, wenn klar ist, dass wir preislich mit den grossen Anbietern nicht mithalten können.» Der Preis habe sich als wichtigstes Verkaufskriterium herauskristallisiert. Deshalb hätten immer weniger Kunden bei ihnen eingekauft.
«Niemand wurde entlassen»
Der Geschäftsführer betont, dass für sie als Familienunternehmen immer die Menschen an erster Stelle stünden, die für sie arbeiteten. «Unsere Leute mussten schon seit längerem jeden Tag mit der Aussage leben, wir seien unverschämt teuer.» Wahrscheinlich habe das Gefühl bestanden, dass sich hier jemand eine goldene Nase verdiene. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. «Die Familie hat seit 20 Jahren keine einzige Dividende ausbezahlt und immer alle Mittel in die Unternehmen investiert.»
Gerüchte um Entlassungen dementiert Felber: «Bis zum heutigen Tag wurde niemand entlassen». Sie hätten die ganze Belegschaft vor Weihnachten über den Konkurs informiert. Dabei habe das Familienunternehmen den Grundsatz von Ehrlichkeit und Transparenz gegenüber seinen Mitarbeitenden höher gewichtet als das Risiko, dass Gerüchte in Umlauf kämen. «Von den Lernenden bis zur Rentnerin, die bei uns im Stundenlohn arbeitet, konnten sich alle Mitarbeitenden 24 Stunden bei mir melden.»
Krieg und Inflation als Gründe
Die Schliessung des Müller-Reformhauses ist Teil einer Entwicklung, die auch Bio-Läden über die Landesgrenze hinweg erfasst hat. Etwa in Deutschland mussten bekannte Händler wie Superbiomarkt oder Reformhaus Bacher wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung Rettung in Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung suchen.
Der Ukraine-Krieg und die damit einhergehende Steigerung von Energiekosten und die Inflation führten dazu, dass die Kaufkraft der Konsumenten zurückgehe, sagt Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel und Studiengangsleiter an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). «Sie sparen zuerst bei den Produkten, die relativ viel Geld kosten.»
Laut Rüschen findet sowohl im konventionellen als auch im Biobereich eine starke Wanderung von Markenartikeln zu Handelsmarken sowohl im konventionellen als auch im Biobereich statt. «So kaufen die Kunden weniger im Biofachhandel, sondern mehr im normalen Lebensmittelhändler oder beim Discounter ein.»
Handel stürzt sich auf Bio
Rüschen rechnet damit, dass noch weitere Insolvenzen folgen werden. «Seit Jahren stürzt sich der konventionelle Handel auf Bio und versucht dem Biofachhandel Kunden abzuwerben.» Der Kunde, der Bio kaufen wolle, sei im normalen Lebensmitteleinzelhandel bereits gut aufgehoben.
Die Entwicklung bedeutet für den Biofachhandel aber nicht das Aus. Laut Rüschen werden die Anbieter einerseits versuchen, sich zu grösseren Einheiten zusammenzuschliessen. Andererseits gehe es darum, die Nähe zu den Kundinnen und Kunden zu behalten. Als Beispiel dafür nennt er die deutsche Edeka-Gruppe mit einer starken Zentrale, die alles liefere. «Dies scheint ein erfolgsversprechendes Konzept der Zukunft zu sein.»
(bza)