Der Ständerat hat das umfangreiche Paket vor genau einem Jahr beraten. Es umfasst einerseits die Harmonisierung der Strafrahmen und andererseits die Anpassung des Nebenstrafrechts an das neue Sanktionsrecht. Betroffen sind rund 40 Gesetze und Erlasse, nicht aber das Sexualstrafrecht. Dafür ist eine separate Vorlage vorgesehen.
Der Nationalrat ist am Mittwochmittag auf die Revision eingetreten. Rückweisungsanträge aus den Reihen der SVP lehnte er mit jeweils 139 zu 49 Stimmen deutlich ab. Die Detailberatung am Mittwochnachmittag dürfte sich hinziehen, liegen doch zahlreiche Abänderungsanträge zu vielen einzelnen Straftatbeständen vor.
«Alibi-Harmonisierung»
Yves Nidegger (SVP/GE) begründete seine Rückweisungsanträge damit, es handle sich beim Geschäft um eine «Alibi-Harmonisierung», weil es nicht die Gesamtheit der Sanktionen in allen Bereichen umfasse. Das Gesetzeswerk beinhalte zu viele Absurditäten und sei eine «komplette Kakophonie». Die Disharmonie sei ein grosses Problem.
Die Sprecherinnen von SVP und SP meinten zwar beide auch, der Bundesrat habe es verpasst, das Strafgesetzbuch umfassend zu revidieren. Für Tamara Funiciello (SP/BE) handelt es sich bei der Vorlage weitgehend um «juristische Kosmetik». Immerhin würden aber einige Inkohärenzen beseitigt. Falls die Abkehr von den Geldstrafen im Rat durchkomme, werde die Partei jedoch das ganze Paket ablehnen.
Barbara Steinmann (SVP/ZH) unterstützte dagegen schon den Rückweisungsantrag ihres Parteikollegen Nidegger. Die Schweiz gehe zu milde mit Straftätern um, aber die romantische Vorstellung von der weitgehenden Strafverschonung von Ersttätern greife nicht. Und die Vorlage ändere daran leider nichts. Es handle sich mit Ausnahme der schweren Körperverletzung lediglich um «Basteleien am Strafrahmen».
«Die schützen, die uns beschützen»
Die Vorlage sei zwar nicht perfekt. Aber er warne davor, die vorgesehenen Verschärfungen auf die lange Bank zu schieben, sagte Philipp Matthias Bregy (VS) im Namen der Mitte-Fraktion. Insbesondere müssten jene besser geschützt werden, «die uns beschützen». Er wies dabei auf die schärferen Strafen bei Angriffen auf Behördenmitglieder, Polizeikräfte, Feuerwehrleute und Mitarbeitende von Sanitäts- und Notfalldiensten hin.
Verschärfungen sind nicht geeignet, die Schweiz sicherer und gerechter zu machen, sagte Beat Flach (GLP/AG). Das geltende System funktioniere im Grossen und Ganzen gut. Dass man bei den schweren Körperverletzungen nachjustiere, sei aber gut. Ebenso, dass der alte Zopf der Majestätsbeleidigung endlich eliminiert werden soll.
Ganzem Spektrum gerecht werden
Justizministerin Karin Keller-Sutter erinnerte daran, dass es sich bei der Vorlage um den zweiten Schritt einer grossen Revision des Strafgesetzbuches handelt. Dass in drei Bereichen von der Gesellschaft härtere Strafen verlangt würden, sei ernst zu nehmen. Man könne jedoch nicht nur vom schwerstmöglichsten Fall ausgehen, der Rahmen müsse beiden Enden des Spektrums gerecht werden.
Die Wissenschaft belege klar, dass nicht die Härte eines drohenden Strafmasses potentielle Täter abschrecke, sagte die Magistratin all jenen, die grundsätzlich schärfere Strafen verlangten. «Wichtiger ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Tat aufgedeckt wird.»