Wie verkauft man einem «Volk von Mietern» zwei Vorlagen, die in erster Linie den Vermietern nützen? Mit dieser heiklen Ausgangslage muss sich ein ausschliesslich aus bürgerlichen Politikern bestehendes Ja-Komitee herumschlagen, das am Dienstag vor die Medien trat. Und sich Mühe gab, die Tragweite beider Änderungen des Mietrechts herunterzuspielen.
Der Mieterinnen- und Mieterverband hatte dagegen das Referendum ergriffen. Dies sei «etwas erstaunlich» und dem Wahljahr 2023 geschuldet, meinte der Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz, seit Juni Präsident des Schweizerischen Hauseigentümerverbands (HEV). Denn die Vorlagen würden nur «einen kleinen Teil der Mietverhältnisse» berühren.
Alles halb so wild? Immerhin will die erste Vorlage die Kündigung eines Mietvertrags bei Eigenbedarf des Vermieters erleichtern. Die zweite verschärft die Regeln für eine Untervermietung. Es braucht dafür künftig zwingend die schriftliche Zustimmung des Vermieters. Im Grundsatz soll eine Untermiete zudem auf zwei Jahre befristet werden.
Eine kleine Minderheit profitiert
In einer Zeit verschärften Wohnungsmangels scheinen die Vorlagen quer in der politischen Landschaft zu stehen. Denn strukturell ist das Komitee im Nachteil. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung sind Mieterinnen und Mieter, und wer Wohneigentum besitzt, nutzt es in der Regel selbst. Nur Inhaber von Mietobjekten profitieren davon, also eine kleine Minderheit.
Die Befürworter versuchen, diesen Nachteil zu kontern, indem sie einen «Bund für mehr Wohnraum» gegründet haben. Doch selbst Gregor Rutz räumte im Gespräch mit «watson» ein, dass wegen der «kleinen» Mietrechtsänderungen keine einzige zusätzliche Wohnung gebaut werden dürfte. Offen ist auch, wie viel Unterstützung es «von oben» geben wird.
Parmelin war dagegen
Die beiden Vorlagen aus der «Küche» des HEV wurden von der bürgerlichen Mehrheit im Parlament durchgedrückt, gegen den Widerstand des zuständigen Bundesrats Guy Parmelin (SVP), der sie als «ungerechtfertigt» bezeichnete. Sechseinhalb Wochen vor der Abstimmung am 24. November gibt es noch nicht einmal einen Termin für die bundesrätliche Medienkonferenz.
Angesichts dieser für die Befürworter schwierigen Umstände ist es bemerkenswert, dass beide Vorlagen in der ersten Tamedia-Umfrage auf einen Ja-Anteil von mehr als 40 Prozent kommen. Allerdings zeigt sich eine interessante Differenz. Beim Eigenbedarf ist das Nein klar im Vorteil, während bei der Untermiete mehr Ja- als Nein-Stimmen verzeichnet wurden.
Das kann ein Zufall sein und bedeutet zum jetzigen Zeitpunkt wenig. Doch es gibt Gründe, warum es am 24. November zu einem differenzierten Resultat kommen könnte.
Eigenbedarf
Die Kündigung einer Wohnung für den Eigenbedarf ist schon heute möglich. Allerdings führt sie häufig zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten. Es gebe Fälle, bei denen sieben Jahre bis zu einem Urteil vergingen, sagte der Genfer Mitte-Nationalrat Vincent Maître. Man kann den Ärger der Hauseigentümer nachvollziehen. Aber was haben die Mietenden davon?
Die neuen Regeln seien für beide Seiten «fair und klar», sagte der Walliser Nationalrat und Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy im Gespräch. Er zeigte sich überzeugt, dass die Verfahren kürzer und effizienter würden. Allerdings sind nicht alle seine Mitstreiter davon überzeugt. Alles hängt davon ab, wie die Gerichte die neuen Regeln anwenden würden.
Die Formulierung im Initiativtext, wonach die Vermieter «einen bei objektiver Beurteilung bedeutenden und aktuellen Eigenbedarf» geltend machen können, bietet viel Spielraum und «Juristenfutter». Letztlich konnte an der Medienkonferenz niemand einen handfesten Grund nennen, warum das Stimmvolk diese Vorlage befürworten sollte.
Untermiete
Etwas anders sieht es bei der zweiten Vorlage aus. Von schriftlichen Abmachungen würden auch Untermieter profitieren, sagte die Basler LDP-Nationalrätin Patricia von Falkenstein: «Sie bieten mehr Rechtssicherheit und schützen sie vor Missbrauch und Willkür.» Auch seien Zeiträume über zwei Jahre und Wohngemeinschaften weiterhin möglich.
Beides ist wichtig für Studierende, die für längere Zeit ein Zimmer benötigen. Besonders wirksam könnte die Warnung vor einer Bereicherung mit Airbnb und Business-Apartments werden. Es sind veritable Kampfbegriffe gerade in den «linken» Städten, die für den HEV sonst ein steiniger Boden sind. Beides entzieht dem Markt bezahlbare Mietwohnungen.
In Luzern stimmten letztes Jahr fast zwei Drittel für eine Beschränkung von Vermietungen via Airbnb auf 90 Tage pro Jahr, gegen den Widerstand von Stadtregierung und Parlament. Auch Tourismusorte wie Interlaken, St. Moritz und Zermatt klagen, es gebe kaum noch Wohnraum für Einheimische sowie Beschäftigte im Fremdenverkehr.
Viel würde die Untermiet-Vorlage kaum bewirken, denn auch für die Vermieter sind Airbnb und Business-Apartments lukrativ. Das zeigt sich beim Eurovision Song Contest 2025 in Basel. Seit der Zusage durch die SRG seien die Angebote und Preise auf Airbnb in einer Weise explodiert, die Patricia von Falkenstein als «unverschämt» bezeichnete.
Trotzdem oder vielleicht deswegen könnte dies der Untermiete zum Durchbruch verhelfen. Gegen ein unterschiedliches Votum spricht, dass beide Vorlagen miteinander verknüpft werden, von der Ja- wie der Nein-Kampagne. Letztere wird nächste Woche lanciert.
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