Von links bis rechts, von Arbeitgeberseite zu den Gewerkschaften, alle sind sich einig: Das System der Altersvorsorge braucht dringend eine Reform. Wie diese auszusehen hat, darüber herrscht weniger Konsens. Nun schlägt die Westschweizer Arbeitgeberorganisation Centre Patronal einen Systemwechsel in der Altersvorsorge vor. Sie will das gesetzlich festgelegte Rentenalter durch ein sogenanntes Lebensarbeitszeitmodell ersetzen, wie Vertreter am Mittwoch vor den Medien in Bern erklärten.
Soll heissen: Anspruch auf eine volle Altersrente hat, wer eine Lebensarbeitszeit von 44 Jahren vorweisen kann, beginnend ab dem 18. Lebensjahr. Gemäss dem Vorschlag besteht die Möglichkeit, frühestens nach 40 Beitragsjahren, aber nicht vor dem 60. Lebensjahr, in Rente zu gehen.
Auch wenn der Systemwechsel soziale Vorteile mit sich bringe, reiche er finanziell nicht aus, betont der Verband in einer Mitteilung. Um eine nachhaltige Finanzierung der AHV zu gewährleisten, schlägt er deshalb folgende drei Massnahmen zusätzlich vor: Eine Erhöhung der Einzahlungsdauer, der Mehrwertsteuer und der AHV-Beiträge.
Gewerkschaften reagieren skeptisch
Für das Obligatorium in der zweiten Säule sieht der Vorschlag ebenfalls weitere Massnahmen vor wie die Reduktion des Umwandlungssatzes, die Abschaffung des Koordinationsabzuges und eine neue Staffelung der Beitragssätze. Zudem sollen Selbständigerwerbende neu der obligatorischen beruflichen Vorsorge unterliegen, heisst es in der Mitteilung.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) ist vom Vorschlag des Centre Patronal hingegen nicht überzeugt, wie Gabriela Medici, die Verantwortliche für Sozialversicherungen, gegenüber Radio SRF sagt: «Solche Modelle wurden in den letzten 20 Jahren immer wieder diskutiert und verworfen.» Gemäss der Gewerkschafterin führen sie zu einem real höheren Rentenalter und verhindern soziale Frühpensionierungen. Zudem seien die Vorschläge vor allem für Frauen und Migranten mit grossen Verschlechterungen verbunden.
Politik nimmt einen erneuten Anlauf
Seit Jahren hapert es mit der Rentenreform. Nach dem Volksnein zur Altersvorsorge 2020 vor drei Jahren verabschiedete der Bundesrat letztes Jahr die Botschaft zur AHV 21. Damit soll das Rentenniveau gehalten und die Finanzierung der AHV bis 2030 gesichert werden. Die Reform sieht eine Flexibilisierung des Rentenalters mit Teilrenten ab 63 Jahren vor, sowie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Gunsten der AHV um maximal 0,3 Prozent.
Die Reform sollte ursprünglich in der Herbstsession beraten werden, doch sie wurde verschoben. Einen Vorentscheid hat die ständerätliche Gesundheitskommission (SGK-S) anfangs September dennoch gefällt: Sie will das AHV-Referenzalter der Frauen auf 65 Jahren erhöhen.
(dpo)