Mit Evi Allemann und Eva Herzog haben sich zwei SP-Politikerinnen dazu bekannt, dass sie kandidieren wollen. Zuvor hatte es vor allem Absagen gegeben. Die SP wurde vom Rücktritt Sommarugas vor einer Woche überrascht. Deshalb hatten sich viele potenzielle Kandidatinnen im Vorfeld keine Gedanken über das Amt als Bundesrätin gemacht.
Wer will kandidieren?
Eva Herzog: Als eine Favoritin für Sommarugas Nachfolge sehen Medien und Politologen die Basler Ständerätin und frühere Finanzdirektorin Eva Herzog. Sie hat am Donnerstag angekündigt, ins Rennen um den Sitz von Sommaruga gehen zu wollen. Als Vertreterin eines Stadtkantons und einer starken Wirtschaftsregion bringt die 60-jährige Herzog gute Argumente für ein Amt im Bundesrat mit. Die Historikerin war schon vor zwölf Jahren als Bundesratskandidatin angetreten, unterlag damals aber in der parteiinternen Nomination gegen Sommaruga. Am 17. November hat die Basler SP die Ständerätin offiziell nominiert.
Evi Allemann: Die Berner Regierungsrätin und frühere Nationalrätin Evi Allemann hat sich entschieden, für den Bundesratssitz zu kandidieren. Das sagte sie in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen. «Ich könnte die Erfahrung aus 15 Jahren Parlamentsarbeit im Bundeshaus und gut vier Jahren in der Berner Kantonsregierung gewinnbringend für unser Land, aber auch für unsere Bevölkerung einsetzen», hielt Allemann fest. Vor ihrer Wahl in die Berner Kantonsregierung gehörte Allemann von 2003 bis 2018 dem Nationalrat an. Zudem war Allemann Präsidentin des VCS Schweiz und des Mieterverbandes Kanton Bern.
Daniel Jositsch: Obwohl sich die Fraktions- und Parteispitze für ein Frauen-Ticket ausgesprochen hat, hat der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch als Erster sein Interesse an einer Kandidatur angemeldet. Dem 57-Jährigen passt es nicht, dass die SP-Führung Männer von vorneherein von der Kandidatur ausschliessen will. Für ihn als Bundesrat spreche seine breite Erfahrung. Jositsch sitzt seit 2015 für Zürich im Ständerat. Zuvor war der 57-Jährige acht Jahre lang Mitglied des Nationalrats. Jositsch ist Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Zürich und gilt als Vertreter des rechten Flügels der SP.
Wer ist im Gespräch?
Edith Graf-Litscher: Die Thurgauer Nationalrätin Edith Graf-Litscher brachte sich am Sonntag überraschend als mögliche Kandidatin ins Gespräch. Die 58-jährige Politikerin, die seit 17 Jahren im Nationalrat sitzt, erklärte, dass sie sich Gedanken um eine Kandidatur mache, nachdem sie von vielen dazu aufgefordert worden sei. Erst kurz zuvor hatte Graf-Litscher bekanntgegeben, dass sie im Herbst 2023 nicht mehr für den Nationalrat kandidieren will.
Weil die SP-Führung explizit Kandidatinnen aus allen Landesteilen sucht, sind auch Westschweizer und Tessiner SP-Politikerinnen nicht ausgeschlossen. Allerdings kamen auch aus der Romandie und den italienischsprachigen Gebieten bisher nur Absagen. Noch im Gespräch ist Elisabeth Baume-Schneider.
Elisabeth Baume-Schneider: Der 58-jährigen jurassischen Ständerätin und früheren Staatsrätin Elisabeth Baume-Schneider wird das Format einer Bundesrätin zugeschrieben. 2002 wurde sie in die Regierung des Kantons Jura gewählt. Sie leitete dort das Erziehungs-, Sport- und Kulturdepartement. 2006 und 2008 präsidierte sie den Regierungsrat. Seit 2019 ist Baume-Schneider Ständerätin. In der kleinen Kammer vertritt sie als Präsidentin der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie wichtige Dossiers.
Wer hat abgesagt?
Flavia Wasserfallen: Die Berner SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen überlegte sich zwar eine Kandidatur, wie sie am Tag nach Sommarugas Rücktritt bekanntgegeben hatte. Vor dem Entscheid wollte sie aber mit ihrer Familie und ihrer Partei Gespräche führen. Schliesslich verzichtete sie auf eine Kandidatur. Die 43-jährige Politologin und Verwaltungsrätin lebt in Bern. Von 2002 bis 2012 gehörte sie dem Kantonsparlament an, von 2012 bis 2018 war sie Co-Generalsekretärin der SP Schweiz. Seit Mai 2018 ist sie Nationalrätin. Im Herbst 2023 will sie den Ständeratssitz des abtretenden Hans Stöckli verteidigen.
Pascale Bruderer: Die ehemalige Aargauer Ständerätin und Nationalrätin Pascale Bruderer will weiterhin unternehmerisch tätig bleiben. Als Sommaruga vor rund zwölf Jahren in den Bundesrat gewählt wurde, war Pascale Bruderer Nationalratspräsidentin. Später wechselte sie in den Ständerat. 2019 zog sie sich aus der Bundespolitik zurück, um sich ganz dem Unternehmertum zu widmen. Die 45-Jährige ist heute Teilhaberin sowie exekutive Verwaltungsrätin bei einem IT-Start-up-Unternehmen.
Priska Seiler Graf: Die 54-jährige Nationalrätin strebt einen Sitz in der Zürcher Regierung an. Sie will deshalb auf eine Kandidatur für den Bundesrat verzichten, wie sie am Tag nach Sommarugas Rücktrittsankündigung auf Twitter schrieb. Seiler Graf hat eine klassische politische Laufbahn hinter sich: von der Gemeinderätin in Kloten über die Stadtregierung in den Kantonsrat und schliesslich nach Bundesbern. Sie war im Initiativkomitee gegen die Beschaffung der F-35-Kampfjets, scheiterte aber mit dem Anliegen.
Jacqueline Fehr: Als Kandidatin in Frage gekommen wäre auch die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr. Die 59-Jährige unterlag vor zwölf Jahren gegen Sommaruga. Allerdings wird sie sich am 12. Februar 2023 der Wiederwahl in die Zürcher Regierung stellen, wie sie auf Twitter mitteilte. Sie verzichte deshalb auf eine Bundesratskandidatur.
Barbara Gysi: Die St. Galler Nationalrätin Barbara Gysi wäre eine weitere mögliche Kandidatin gewesen. Die 58-jährige Sozialpädagogin politisiert seit elf Jahren in der grossen Kammer, strebt aber den Sitz im Ständerat an, den Paul Rechsteiner Ende des Jahres freimachen wird. Sie steht für eine Kandidatur nicht zur Verfügung, wie sie am Tag nach Sommarugas Rücktritt via Twitter bekanntgab.
Nadine Masshardt: Ebenfalls am Tag nach Sommarugas Rücktritt nahm sich die Berner Nationalrätin Nadine Masshardt aus dem Rennen für die Nachfolge. Sie stehe nicht zur Verfügung und wolle sich auch künftig als Nationalrätin und Konsumentenschützerin für Mensch und Umwelt einsetzen, schrieb sie auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Zwar würde sie ein Exekutivamt irgendwann einmal reizen, doch das Amt der Bundesrätin mit der dafür nötigen Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit könne sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, erklärte die 38-jährige Präsidentin der Stiftung Konsumentenschutz Schweiz.
Mattea Meyer: Die Zürcher Nationalrätin Mattea Meyer steht als Kandidatin nicht zur Verfügung, wie sie direkt nach Sommarugas Rücktrittsankündigung vor den Medien in Bern bekanntgab. Die bald 35-Jährige war Ende Oktober als Co-Präsidentin der SP Schweiz wiedergewählt worden. Sie wolle sich in dieser Rolle auf den Wahlkampf im Herbst 2023 konzentrieren.
Céline Widmer: Die Zürcher Nationalrätin Céline Widmer verzichtet laut den Tamedia-Zeitungen auf eine Kandidatur. Nach reiflicher Überlegung und Gesprächen mit ihrem Umfeld habe sie sich entschieden, ihren Fokus auf den Nationalrat zu legen, sagte die 44-Jährige demnach.
Marina Carobbio Guscetti: Marina Carobbio Guscetti ist Vizepräsidentin der SP. Im November 2019 wurde die Tessinerin und ehemalige Nationalrätin in den Ständerat gewählt. Nun kandidiert die 56-Jährige für den Tessiner Staatsrat, der im April neu gewählt wird. Für ihre Kantonalpartei ist sie die Hoffnungsträgerin. Sie wolle sich auf diese Aufgabe konzentrieren, liess sie am Tag nach Sommarugas Rücktrittsankündigung ausrichten. Ihre Wahlchancen als Bundesrätin wären sowieso nur gering gewesen, denn mit Ignazio Cassis sitzt bereits ein Tessiner im Bundesrat.
Rebecca Ruiz: Die Waadtländer Staatsrätin Rebecca Ruiz will nicht für die Nachfolge von Sommaruga kandidieren. Sie möchte sich nach eigenen Angaben auf ihr Amt als Gesundheitsdirektorin konzentrieren. Die 40-jährige Kriminologin ist mit der Bundespolitik vertraut, da sie von 2014 bis 2019 Nationalrätin war.
Nuria Gorrite: Auch die Waadtländer Staatsrätin Nuria Gorrite hat sich aus dem Rennen um die Sommaruga-Nachfolge genommen. Die 52-Jährige will Staatsrätin bleiben. Zurzeit ist sie Vorsteherin des Departements für Infrastruktur, Kultur und Personelles.
(sda/log)