(sih) Im Juni 2019 hatte das Richterkollegium des Kantons Graubünden geschlossen Antrag auf eine Amtsenthebung des Kantonsrichters Peter Schnyder gestellt. Nun spricht die Kommission für Justiz und Sicherheit (KJS) des Kantons Graubünden einen Verweis gegen Schnyder aus, wegen Amtspflichtverletzungen. Sie empfiehlt zudem die Nichtwiederwahl im Herbst, sieht aber von einer Amtsenthebung ab.
Die Empfehlung zur Nichtwiederwahl ist als Misstrauensvotum gegenüber Schnyder zu verstehen, da dieser «die persönlichen Voraussetzungen für das Richteramt nicht erfüllt und eine geordnete Zusammenarbeit mit den Mitrichtern nicht mehr möglich scheint», wie die Kommission am Dienstag mitteilt. Schnyders Verhalten sei mit der Funktion in der Kollegialbehörde nicht vereinbar. Eine Amtsenthebung könnte allerdings nur der Grosse Rat aussprechen. Die Wahlen sollen neu im August statt im Juni stattfinden.
Laut mehreren Medienberichten ist der Grund für den Zwist, dass Schnyder gegen den Bündner Gerichtspräsidenten Norbert Brunner Anzeige eingereicht hat. Schnyder wirft Brunner vor, dass dieser ein Urteil in einem Erbschaftsfall nachträglich abgeändert habe. Warum die Richter des Kantonsgericht einen Antrag auf Amtsenthebung eingereicht haben, ist nicht ersichtlich. Das Gericht hat den Antrag zudem mittlerweile zurückgezogen.
Strafverfahren gegen Gerichtspräsident
Ernst wird es dafür jetzt auch für den Gerichtspräsidenten Brunner: Die Kommission hat im Zusammenhang mit einer unsachgemässen Behandlung eines Berufungsurteils in einem Erbrechtsfall eine «sehr ernsthafte Amtspflichtverletzung» von Norbert Brunner festgestellt und stimmt der Aufhebung der Immunität Brunners in einem Strafverfahren der Bündner Staatsanwaltschaft zu. Brunner wehrt sich gegen die Vorwürfe, verzichtet aber auf einen erneute Kandidatur als Gerichtspräsident. Daher verzichtet die KJS auf eine Wahlempfehlung.
Zwei externe Gutachter untersuchten seit November zudem die Ursachen für die vielen Pendenzen und lange Verfahrensdauer am Kantonsgericht Graubünden. Sie kommen zum Schluss, dass die Anzahl Fallerledigungen in den letzten zwei Jahren deutlich zugenommen hat. Gleichzeitig seien die Pendenzen laut Bericht seit 2011 stetig gestiegen, zwischen 2014 und 2019 hätten sie sich praktisch verdoppelt. In den Kantonen Zürich und Bern sei keine vergleichbare Entwicklung festzustellen. Gleichwohl halten die Gutachter fest, die Anzahl Richterstellen sei ausreichend, hingegen würden im Aktuariat Ressourcen fehlen. Sie empfehlen dem Kanton eine Aufstockung um zwei Stellen und die Rekrutierung von Ersatzrichtern.