Es hat schon etwas sehr Frustrierendes. Du gibst dir sehr viel Mühe mit deinen Bewerbungen, hast einen Top-Lebenslauf geschrieben und deine Bewerbung im passenden Zeitraum verschickt und dann – Funkstille. Weder eine Eingangsbestätigung noch sonst eine Rückmeldung im Postfach. Und das in Zeiten von Fachkräftemangel. Was soll eigentlich dieses Ghosting?
Dass Bewerbungen immer häufiger unbeantwortet bleiben, bestätigte der deutsche Karriereberater Jürgen Hesse in einem Gespräch mit dem Magazin «Wirtschaftswoche»: «Die Klagen der Bewerberinnen und Bewerber, dass sie keine Rückmeldungen mehr bekommen, haben schon deutlich zugenommen.» Diesen Trend beobachtet auch die Karriere- und Laufbahnberaterin Anna Zbinden: «Tatsächlich höre ich von meinen Kundinnen und Kunden immer häufiger, dass sie keine Antworten auf ihre Bewerbungen bekommen. Das betrifft sowohl die unter als auch über 45-Jährigen und oft auch sehr gut ausgebildete Bewerbende.» Vor einigen Jahren war dies eher noch die Ausnahme. Die Gründe dafür seien aber vielfältig, heisst es.
Fake-Stellen sollen Mitarbeitende unter Druck setzen
Früher war es üblich, jetzt eher nicht mehr. Unternehmen sparen sich immer häufiger die Bestätigungen oder auch Absagen. Hesse sagt weiter, dass manche Stellenausschreibungen auch einfach nur fake seien. Unternehmen wollen dadurch gegenüber Geldgebern und Konkurrenten stark wirken. Mit den Ausschreibungen soll signalisiert werden, dass das Unternehmen expandieren will, obwohl es keine echten Jobs zu vergeben hat.
Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht oder arbeitest in der Personalabteilung und hast dazu eine andere Meinung? Lass es uns wissen.
Auch Zbinden findet diese Annahme nicht abwegig, so haben ihre Kundinnen und Kunden ebenfalls von Fake-Ausschreibungen berichtet. «So werden Stellen – oft höher qualifizierte – immer wieder ausgeschrieben, aber bei Nachfrage gar nicht besetzt.» Daher gehe die Winterthurerin eher davon aus, dass es sich dabei lediglich um eine Marketingstrategie handle. Vor allem grössere Firmen würden immer mehr auf eine Rückmeldung verzichten.
Doch welcher Bereich ist denn besonders davon betroffen? Auf die Frage sagt Zbinden, dass sie «das interessanterweise mehrfach von IT-Fachleuten gehört hat und von Bewerbenden in technischen Branchen». Diese Häufung könne natürlich auch ein Zufall sein, sagt sie weiter.
Laut Hesse können mit solchen Fake-Stellen auch die eigenen Mitarbeitenden unter Druck gesetzt werden. Damit soll den Leuten suggeriert werden, dass sich das Unternehmen «neu sortieren» will.
Keine Antwort ist auch eine Antwort
Keine Antwort ist auch eine Antwort. In diesem Fall heisst das: Absage. Natürlich ist das kein legitimer Grund, nicht zu kommunizieren und dich im Unklaren zu lassen. Zudem sind wir alle Menschen und haben im Stress schon Dinge vergessen oder die Prioritäten neu verteilen müssen. Es kann auch passieren, dass ein Mail einfach untergeht, weil sich über 100 Interessierte gemeldet haben oder du wurdest im Bewerber-Management-System einfach falsch einsortiert. Dazu ist es möglich, dass in so einem die Absagen nicht automatisiert wurden. Oder es gab einfach ungenaue Absprachen in der Personalabteilung.
Neuer HR-Knigge?
Dazu haben Online-Bewerbungsplattformen das Bewerben einfacher, schneller, aber auch unverbindlicher gemacht, so die Karriereberaterin. Oft braucht es gar kein persönliches Schreiben mehr, was die Firmen dazu veranlassen könnte, bei Absagen gar nicht mehr zu antworten, sagt Zbinden und fügt noch als These an: «Möglicherweise hat sich auch einfach ein neuer HR-Knigge entwickelt, der besagt, dass man sich nur noch bei den Bewerbenden meldet, wenn die Unterlagen interessant sind. Daher lohnt es sich für Bewerbende immer noch, ihre Bewerbungsunterlagen passend zur Stelle mit Sorgfalt zu formulieren und gestalten.»
Hinter einer schweigenden Wand muss nicht immer böse Absicht stecken. Unternehmen streichen hin und wieder alle nicht unbedingt erforderlichen Schritte im Recruiting-Prozess, um so die Kosten zu senken. Darunter fällt vielleicht auch der zuständige HR-Praktikant oder die Auszubildende, die sonst immer «im Auftrag» die Eingangsbestätigungen versendet hat, wie die Beratungsfirma Robert Half GmbH mit Sitz in Zürich auf ihrer Website schreibt.
Was kannst du tun, wenn du keine Antwort auf deine Bewerbung erhalten hast?
Wenn du immer noch auf eine Rückmeldung wartest, dann hast du laut der Expertin folgende Möglichkeiten: So steht in einigen Eingangsbestätigungen, wann man eine Antwort erwarten kann, ebenso wird auch meist nach dem Gespräch eine Frist genannt. Diese sollst du unbedingt abwarten, wie Zbinden rät. Solltest du bis dahin nichts hören, kannst du nach etwa zehn Tagen höflich per Mail oder telefonisch nachfragen, ob deine Unterlagen eingegangen sind, wie es mit dem Bewerbungsprozess steht, das Interesse nochmals bekräftigen oder nach Ergänzungen fragen. All das seien Möglichkeiten, nochmals Kontakt aufzunehmen und sowohl geschickt als auch elegant einzubauen, wann du mit einer Antwort rechnen kannst.
Wenn darauf nicht geantwortet wird, du auch nach sechs Wochen noch nichts gehört und überprüft hast, ob dein Profil tatsächlich gut mit der ausgeschriebenen Stelle übereingestimmt hätte, «dann würde ich die Firma oder zumindest die Stelle von meiner Favoritenliste streichen», erklärt die Beraterin. Kennst du jemanden in der Firma? Dann kannst du auch dein berufliches Netzwerk aktivieren, um eventuell intern Informationen über deine Situation zu erfahren. Und zu guter Letzt: Bewirb dich einfach weiter.
Es muss daher nicht an dir oder deinen Unterlagen liegen, wenn du keine Antworten auf deine Bewerbung bekommst. Lass dich daher nicht von Selbstzweifeln zerfressen, das alles können mögliche Gründe sein, warum sich Personalverantwortliche nicht melden.