Dass Brigitte McMahon bei der historischen Olympia-Premiere der Dreifach-Schinderei über 1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren und 10 km Laufen zum Auftakt der Spiele gleich Gold holte, übertraf sämtliche Erwartungen. Den Australiern in der Innenstadt und am Hafen stockte der Atem, als Lokalmatadorin Michellie Jones und McMahon um «high noon» Schulter an Schulter auf die Zielgerade am weltberühmten Opernhaus in Sydney einbogen.
Während die Biochemikerin aus Baar nach zwei Stunden am Limit noch zulegen konnte, hatte Jones keine Reserven mehr. «Den Olympia-Zieleinlauf habe ich mir immer bildlich vorgestellt. Es ist genau so gekommen», strahlte McMahon damals. Für sie war es das nicht zu übertreffende Karriere-Highlight. Ihre Augen glänzen noch heute, wenn sie darauf angesprochen wird - und die Worte sprudeln im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA nur so aus der 53-jährigen Zentralschweizerin heraus.
«Feuerwerk der Emotionen»
Als sie die Ziellinie überquerte, sei es «eine unglaubliche Freude, ein Feuerwerk der Emotionen» gewesen. «Ich dachte, ich könnte jetzt so jubelnd mit den Armen in der Höhe um die ganze Welt rennen.» Der Stellenwert im Triathlon-verrückten Australien und die gigantische Kulisse vor dem Opernhaus seien nicht zu vergleichen gewesen mit Olympia 2004 in Athen vier Jahre später, als McMahon Zehnte wurde. «Es hatte in Sydney ungefähr eine halbe Million Zuschauer an der Strecke, einfach unglaublich.»
Dabei hatte die mittlerweile vierfache Mutter einen katastrophalen zweiten Wechsel verzeichnet, den Helm während Sekunden nicht vom Kopf gebracht und so Zeit eingebüsst. Die Spitzengruppe war deshalb zunächst schon ausser Sichtweite. «Ich war einfach zu aufgeregt. Wegen den vielen Zuschauern und der für mein Empfinden grossen Hektik auf der Radstrecke. Ich war da nicht so cool wie vielleicht andere in diesem Rennen.»
Doch der verpatzte Wechsel konnte McMahon nicht in ihrer Entschlossenheit bremsen. Sie setzte zu einem famosen Steigerungslauf an: «Jeder Platz, den ich im Laufen gut machte, war grossartig und beflügelte mich. Als ich in den Top Ten angelangt war, jubelte ich innerlich bereits. Ich kam in einen Adrenalin-Rausch, als ich dann gar bis zur dahin vierköpfigen Spitzengruppe aufschliessen konnte.»
Sprachlose Ironman-Legende Mark Allen
Geblieben ist McMahon auch, dass die amerikanische Triathlon-Legende Mark Allen, der sechsfache Ironman-Weltmeister, ihr erster Interviewer war. «Er war überhaupt nicht vorbereitet und 30 Sekunden sprachlos, als er mir gegenüberstand», erinnert sich McMahon. Allen hatte fest mit einem Sieg von Jones gerechnet.
Das Top-Abschneiden von McMahon und Messmer war freilich nicht aus dem Nichts gekommen. Fünf Monate vorher war McMahon beim Olympia-Test gleichenorts nur zehn Sekunden hinter Jones als Zweite eingelaufen. Und Messmer wurde schon bei jenem Weltcup vor dem Opernhaus Dritte.
McMahon richtete denn auch ihre finale Vorbereitung für die Spiele ganz auf eine Revanche um Gold gegen Michellie Jones aus. Die Endphase trainierte sie dabei gezielt. «Ich hatte Michellie Jones über lange Zeit exakt analysiert und wollte umsetzen, wo ich ihr etwas entgegensetzen konnte. Ich wusste, dass ich Jones schon vor dem Sprint müde rennen musste und dass ich die Innenkurve nehmen wollte, weil sie bei all ihren Sprint-Siegen immer die Innenkurve vor der Zielgerade für sich beanspruchte.»
Immer und immer wieder rannte McMahon deshalb im Training am Ende einer harten Einheit nochmals einen harten Kilometer. «Und dann hängte ich noch ein paar Sprints an. Für mich war der Rennverlauf dann nur eine Umsetzung des Trainings.»
Schliesslich gab McMahon «das Allerletzte, was ich drauf hatte. Ich schaute nicht mehr nach hinten. Mein Fokus war nur noch auf das Ziel gerichtet.» McMahon verbesserte mit ihrem «Endorphin-Run» zu Gold ihre Laufzeit aus dem OIympia-Test an gleicher Stätte um 27 Sekunden auf 35:13 Minuten.
Als sie im Zieleinlauf den Triumph realisierte, brachte sie die jubelnden Arme fast nicht mehr herunter. Im House of Switzerland wurde sie später gebührend empfangen, teilweise war ihr die Ehrerbietung aber auch zu überbordend. Dies, als sie sich auf dem Balkon des Areals befand und die Menschen ihren Blick auf sie richteten. «Die erwarteten, dass ich ihnen zuwinke – wie eine Queen. Das war dann doch etwas schräg für mich.»
Karriereende nach Dopingfall
Fünf Jahre nach dem Höhepunkt in Sydney folgte dann aber der Tiefpunkt von McMahons Karriere mit dem positiven EPO-Dopingbefund und einer Zweijahres-Sperre mitten in einer Zeit der persönlichen Tiefschläge (Unfalltod des Vaters, Trennung von Ehemann Mike). Der sofortige Rücktritt vom Spitzensport war die Folge.
Die heute zu 100 Prozent als Kantonsschullehrerin tätige McMahon ist mit dem Sport aber verbunden geblieben und ist mittlerweile längst als Altersklassen-Triathletin wieder aktiv. «Andere haben andere Hobbys, um sich zu entspannen. Für mich sind Ausfahrten auf dem Velo oder ein Lauf durch den Wald entspannend und eine Top-Kraftquelle für meinen Alltag.»