Herr Betschart, seit wann sind sie der Erfolgscoach von Corinne Suter?
Martin Betschart: «Ich lernte Corinne Suter vor den letzten Olympischen Spielen in Südkorea kennen. Ihre Mutter kam auf mich zu und fragte mich, ob wir nicht zusammenarbeiten könnten. Es war sehr kurzfristig, doch wir versuchten es. Schlussendlich reichte es dazumal noch nicht für den grossen Erfolg, aber von diesem Moment an arbeiteten wir zusammen.»
Und was macht ein Erfolgscoach?
Martin Betschart: «Unser Ziel war von Anfang an klar: Olympia Gold! Wir arbeiteten uns Schritt für Schritt voran und erreichten so auch immer unsere Zwischenziele wie zum Beispiel den Weltmeisterinnentitel in der Abfahrt 2021. Mit Corinne zusammenzuarbeiten ist sehr dankbar. Sie ist nicht eine, die die Übungen hinterfragt. Sie macht einfach mit und setzt um. Da sie schnell Erfolg spürte, funktionierte es auch.»
Haben sie Beispiele für Übungen, welche sie mit Corinne Suter gemacht haben?
Martin Betschart: «Es sind teilweise einfache und auch banale Übungen. Es geht vor allem darum, dass man seine Gedanken steuern kann. Viele Menschen haben einen limitierten Glaubenssatz und zweifeln an sich. Wenn jemand ständig an sich zweifelt, verliert er viel Energie. Besser ist, man steuert seine Gedanken anders und vergeudet seine Energie nicht mit Selbstzweifeln.»
Wie macht man das?
Martin Betschart: «Das kann ich nicht so einfach erklären. Es fängt beim Unterbewusstsein an. Dies ist viel wichtiger, als viele Menschen denken. Ich kann das so erklären: Wenn Sie einen Computer haben, so haben sie einen Arbeitsspeicher und eine Festplatte. Die Festplatte hat viel mehr Speicherkapazität, dies ist das Unterbewusstsein. Der Arbeitsspeicher ist das Bewusstsein. Wenn sie nun Fehler auf der Festplatte haben, so beeinflussen diese Fehler immer und immer wieder den Arbeitsspeicher. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Fehler auf der Festplatte, sprich in unserem Unterbewusstsein, beheben.»
War dies eine Schwäche von Corinne Suter?
Martin Betschart: «Ich spreche nicht gerne von Schwächen oder Stärken. Leider leben wir in einer Gesellschaft, die dies macht. Mir ist viel wichtiger, dass man sein Ziel vor Augen sieht. Wir setzten Olympia-Gold zum Ziel und überlegten uns, was wir machen mussten, um dieses Ziel zu erreichen.
Und was brauchte es bei Corinne Suter dafür?
Martin Betschart: «Bei Corinne hatten wir mehrere Puzzle-Teile, welche wir zusammensetzen mussten. Einerseits mussten wir daran arbeiten, dass sie sich abschotten konnte. Sobald sie Erfolg hatte, kamen viele Leute, welche es immer besser wussten. Sie wollten nur helfen und ihre Tipps an Corinne weitergeben, doch diese verschiedenen Einflüsse verwirrten sie. Es war wichtig, dass sie sich auf mich als ihren Erfolgscoach konzentrierte und die anderen Meinungen ausblendete. Andererseits hat Corinne menschlich eine super Eigenschaft: Sie konzentriert sich gerne auf andere Personen. Im Sport ist diese Eigenschaft jedoch fehl am Platz. Sie musste lernen, dass sie sich bei einem Rennen vollkommen auf sich konzentrierte. Beschäftigt sie sich in den Gedanken mit anderen Menschen, so gibt sie diese Energie ab. Doch Corinne braucht diese Energie zu 100 Prozent selbst. Was Corinne immer schon von selbst mitbrachte, war ihre Leidenschaft. Sie macht den Sport nicht, um berühmt zu werden, sondern um ihre Leidenschaft zu leben.»
Olympia ist in diesem Jahr in Peking. Sind sie vor Ort mit dabei?
Martin Betschart: «Nein, das wäre finanziell gar nicht möglich. Es braucht mich aber auch nicht vor Ort. Die mentale Arbeit ist wichtig. Ich würde sagen, schon fast das Wichtigste. Jeder, der an den Olympischen Spielen ist, kann Skifahren. Jeder hat auch die beste Ausrüstung. Die meisten scheitern schlussendlich mental. Damit dies nicht passiert, braucht es viel Vorbereitung. An Olympia selbst sollten die Abläufe so einprogrammiert sein, dass es mich vor Ort nicht braucht. Sollte Corinne mich aber brauchen, so kann sie mich jederzeit kontaktieren.»
War dies der Fall?
Martin Betschart: «Ja, wir hatten Kontakt. Ein paar Tage vor der Abfahrt telefonierten wir. Ich motivierte und festigte sie. Tatsächlich war aber auch ein Problem vorhanden. Viele Medien sprachen Corinne auf den Trainingsunfall an, das verunsicherte sie. Nach den Gesprächen konnte sie diese Gedanken jedoch wegstecken und das war für die Goldmedaille besonders wichtig.»
Corinne Suter hat ihr Ziel nun erreicht, was bedeutet das für sie?
Martina Betschart: «Es ist einfach wunderschön, dass sie ihr Ziel erreicht hat. Corinne war mental bei 100 Prozent, das machte sie hervorragend. Es bestätigt, dass wir eine gute Arbeit gemacht haben und zwar gegenseitig.»